Merkel auf dem EU-Gipfel: Frau Nein sieht Rot

BRUESSEL - Von der „Klima-Queen“ zur „Klima-Killerin“: Zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel steht Bundeskanzlerin Angela Merkel an allen Fronten unter Druck - vom Klimaschutz bis zum Konjunkturprogramm. Nur beim Verfassungsstreit ist eine Lösung in Sicht.
Sie wird in Frankreich „Madame No“ genannt und in Großbritannien „Frau Nein“: Bundeskanzlerin Angela Merkel steht beim EU-Gipfel, der gestern in Brüssel begann, enorm unter Druck. Die 27 Staats- und Regierungschefs streiten über den Klimaschutz und ein europäisches Konjunkturpaket. Eine Lösung zeichnet sich bei der EU-Verfassungkrise ab. Die wichtigsten Gipfel-Punkte.
Klimaschutz: Die EU hat sich eigentlich längst dazu verpflichtet, ihren Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken. Doch vor allem den osteuropäischen Staaten ist das viel zu ehrgeizig. Frankreichs Staatschef und EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy versucht, mit Zugeständnissen an Industrie und Osteuropa ein Scheitern des Gipfels zu verhindern. Sarkozy legte einen Vorschlag auf den Tisch, der die EU-Klimaschutzpläne verwässert. So soll es für Polen, das 95 Prozent seiner Elektrizität aus Kohlekraftwerken bezieht, und für die anderen Mitglieder aus Mittel- und Osteuropa einen „Klima-Soli“ geben, der ihnen zwölf Prozent der Einnahmen aus dem Handel mit Verschmutzungsrecht zuweist. Zudem sollen diese Länder den Stromkonzernen bis zu 70 Prozent ihrer Zertifikate frei zuteilen dürfen. Merkel eierte herum: Es gebe bei den Klimaschutzzielen „keinen Weg zurück“. Die Ziele müssten aber so umgesetzt werden, „dass wichtige und moderne Arbeitsplätze erhalten werden“. Grünen-Chefin Claudia Roth schimpfte prompt: „Aus der selbst ernannten Klima-Queen wird eine kaltschnäuzige Klima-Killerin.“ Nur noch Hohn übrig für den Klimaschutz hat Italiens Premier Silvio Berlusconi: „Es ist absurd, in Zeiten der Krise über den Treibhausgas-Ausstoß zu reden – das ist, als ob jemand, der Lungenentzündung hat, über eine Dauerwelle nachdenkt.“ Am Abend hieß es: Es gebe eine erste Annäherung in dem Streit.
Konjunkturpaket: Im Streit um ein europaweites Konjunkturpaket in Höhe von 200 Milliarden Euro drängen vor allem Frankreich und Großbritannien Merkel dazu, mehr Geld im Kampf gegen die Rezession in die Hand zu nehmen. Merkel gab sich in Brüssel schmallippig: Sie unterstütze „im Grundsatz“ das Vorgehen der Kommission. „Deutschland ist sich seiner Verantwortung als größte Wirtschaftsmacht Europas bewusst.“ Nach der Verabschiedung des ersten Konjunkturprogramms schaue ihre Regierung jetzt „laufend, was wir eventuell noch tun können“.
Reformvertrag: Sechs Monate nach dem Nein der Iren zum EU-Vertrag ist eine Lösung der Verfassungskrise in Sicht. Irland will mit einem neuen Referendum 2009 den Weg zur Reform freimachen. Im Gegenzug gibt die EU das Ziel auf, die Anzahl der Kommissare auf zwei Drittel der Mitglieder zu reduzieren. Dublin würde dann weiter einen Kommissar stellen.