Mehr Wachstumhilfe, mehr Proteste
Der Sparzwang ersticke das Land, so EU-Parlamentarier. Sozialdemokraten starteten ein Frontalangriff gegen die Finanzaufseher der Troika - die Proteste spitzen sich zu
Straßburg – Im EU-Parlament mehren sich Forderungen nach mehr Wachstumsinitiativen für Griechenland – statt das Land „kaputt zu sparen“. Die Grünen forderten Deutschland auf, eine Nazi-Kriegsbeute zurückzuzahlen und empörten sich laut über „neoliberale Taliban“ in der EU-Kommission. Die Liberalen bekräftigten am Mittwoch in Straßburg, die Griechen sollten ihre Strukturreformen voranbringen, dann sei Europa auch bereit zu weiteren Hilfsleistungen. Scharf kritisierten die Sozialdemokraten das „Diktat“ der „Troika“ von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds.
„Griechenland braucht keinen Oberlehrer mit einem Rohrstock. Griechenland braucht Rat, kein Diktat“, sagte der Österreicher Hannes Swoboda im Namen der Sozialdemokraten. Die „Troika“ mit ihren Forderungen nach Kürzungen von Mindestlöhnen und Renten verschlechtere die Lage in Griechenland nur. Deshalb wollen die Sozialdemokraten eine eigene „Troika“ von Parlamentariern nach Griechenland schicken, um mit Regierungsvertretern und Gewerkschaftern über ein alternatives Programm zu beraten. Es sollte Vorschläge zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Schaffung von Arbeitsplätzen machen.
Der grüne Co-Fraktionsvorsitzende Daniel Cohn-Bendit ging noch weiter und nannte das Verhalten der Troika „fast kriminell“. Die griechische Regierung habe angeboten, die von der Troika noch geforderten 325 Millionen Euro Einsparungen im Verteidigungshaushalt zu kürzen, doch ein Beamter der EU-Kommission habe dies abgelehnt und gesagt, es solle bei den Renten eingespart werden. Dabei sei es doch richtig, im Verteidigungshaushalt zu sparen.
Cohn-Bendit forderte Deutschland auf, die während des Zweiten Weltkriegs von der griechischen Zentralbank nach Berlin eingezogene Summe zurückzuzahlen. „Dieses Geld ist nie zurückgezahlt worden. Das wären umgerechnet heute 81 Milliarden Euro, machen Sie das mal, sagen Sie das den Deutschen“, wandte sich Cohn-Bendit an seine Kollegen im Plenarsaal.
Bei der Debatte ging es um die Vorbereitung des EU-Gipfels am 1. und 2. März, bei dem traditionell Wachstumsfragen im Mittelpunkt stehen.
Linke: Bundesregierung handelt wie Inkasso-Unternehmen
Berlin - Die Bundesregierung richtet mit ihren scharfen Sparvorgaben für Griechenland aus Sicht der Linken Schaden für ganz Europa an. Die deutsche Regierung handele wie ein Inkasso-Unternehmen, kritisierte Parteichefin Gesine Lötzsch am Mittwoch in Berlin. Es gelte das Motto: „Egal, ob der Schuldner überlebt: Entscheidend ist, dass die Gläubiger ihr Geld zurückbekommen.“
Die Hilfsprogramme seien Gift für die griechische Wirtschaft, sagte Lötzsch. „Renten- und Lohnkürzungen sowie die Anhebung der Steuern haben das Land noch tiefer in die Krise getrieben.“
Die Linke fordere einen Schuldenschnitt und ein wirksames Zukunftsprogramm, damit sich das Land erholen könne, sagte sie. Finanziert werden könne dies mit einer Finanztransaktionssteuer.
Griechischer Staatspräsident verzichtet auf Gehalt
Athen – Angesichts der dramatischen Finanzlage hat Griechenlands Staatspräsident Karolos Papoulias (82) auf unbestimmte Zeit auf sein Gehalt verzichtet. Dies teilte am Mittwoch der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos im Fernsehen mit. Zuvor hatte er sich mit Papoulias getroffen. Das Jahreseinkommen des Staatspräsidenten beträgt nach Angaben des Finanzministeriums etwa 400 000 Euro jährlich.