Mega-Chaos ums Kabinett
Beim neuen Ministerpräsidenten gaben sich die Aspiranten die Klinke in die Hand. Doch die Jobs bekamen nur Jüngere, die über 60-Jährigen wurden abgesägt.
Von Angela Böhm
Beim großen Puzzle um das neue Kabinett flogen gestern in der Staatskanzlei die Fetzen. Ausgerechnet Landtagsfraktionschef Georg Schmid sträubte sich, wollte sich einfach nicht als Puzzle-Stück auf einen Platz drücken lassen. Seehofer hatte ihn als Chef seiner Staatskanzlei vorgesehen. Der als CSU-Chef und Finanzminister zurückgetretene Erwin Huber sollte dafür die Fraktion übernehmen. Damit der Proporz gewahrt und auch die Niederbayern berücksichtigt werden. Es kam zum handfesten Eklat. Und der blieb nicht der einzige.
Der Schüttel-Schorsch ließ es auf eine Machtprobe ankommen und schüttelte damit das schöne Puzzle wieder völlig durcheinander. „Viele Menschen und Abgeordnete würden das nicht verstehen“, mandelte er sich in der Staatskanzlei auf. Die wären enttäuscht, glaubten gar, er habe nur darauf gewartet, nach einem Posten im Kabinett zu greifen. Schmid giftete Seehofer an: „Wenn du mich in der Staatskanzlei willst, dann musst du mich halt von der Fraktion abwählen lassen. Freiwillig gehe ich nicht.“ Basta.
Der Ministerpräsident war fassungslos. Ex-CSU-Chef und Finanzminister Erwin Huber war frustriert, weil er auf sein Comeback hoffte. Aber das waren an diesem Mittwoch viele andere auch.
Es ging zu wie in einer Geheimdienstzentrale in der Münchner Staatskanzlei. Undercover bestellte Seehofer alle mögliche Aspiranten für das Kabinett in sein Büro. Auch die, die er nicht mehr haben wollte. Dort mussten sie ein Schweigegelübde ablegen über das, was er ihnen flüsterte. Doch die Vorgeladenen schlossen sich untereinander kurz. Fassungslos war vor allem die Generation 60-plus. Gnadenlos schickt Seehofer die ganze Truppe in Rente. Völlig überraschend auch den Münchner CSU-Chef und Umweltminister Otmar Bernhard (61), der noch darauf gehofft hatte Staatskanzleichef oder Finanzminister zu werden. Auch Wissenschaftsminister Thomas Goppel (61), dessen Ressort an die FDP ging, muss gehen.
„Bei aller Hochachtung für deine Lebensleistung“, sagte der 59-jährige Seehofer jedem einzelnen der Generation 60-plus: „Du musst deinen Platz frei machen. Jetzt müssen die Jüngeren ran.“ Dabei hatte Sozialministerin Christa Stewens (64) so gehofft, doch noch auf dem Frauen-Ticket zu bleiben. Auch die Frauengruppe in der Fraktion hatte darauf gepocht – vergeblich. Draußen sind mit dem 60-Erlass auch Staatskanzleichef Eberhard Sinner (64) und Landwirtschaftsminister Josef Miller (61). „Er hat uns klipp und klar gesagt, dass er keine über 60-Jährigen mehr mag“, so einer der Betroffenen zur AZ. „Was soll man da dann noch argumentieren.“ Eines zumindest haben sie ihm noch gesagt: Dass es bei der CSU ja auch noch ältere Wähler gebe. Die würden das sicher nicht so toll finden. Aber das war Seehofer in diesem Moment völlig wurscht.
Frustriert sind auch zwei junge Hoffnungsträger, die Seehofer im Kampf um das Ministerpräsidentenamt sogar den Steigbügel gehalten haben: Die beiden Europa-Abgeordneten Markus Ferber (42) und Manfred Weber (36). Der eine führt die CSU-Schwaben an, der andere die Niederbayern. Als Allererste waren sie auf die Seite Seehofers gewechselt. Die beiden drängelten geradezu in ein Ministeramt. Doch genutzt hat’s nichts. Europa wird für sie zu einem Gefängnis. Die Landtagsfraktion signalisierte Seehofer nämlich klipp und klar, dass sie niemanden von außen dulden werde. Die Landesgruppe in Berlin tat das auch.
Diejenigen aus der CSU, die er in sein Kabinett holen will, ließ Seehofer bei den Treffen in seiner Staatskanzlei noch im Unklaren. Sie würden erst am Donnerstagmorgen erfahren, welches Ministeramt sie bekämen. Auch CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer war vorgeladen. Überraschend sprach Seehofer am Nachmittag zudem mit dem Münchner Landtagsabgeordneten Ludwig Spaenle, der am liebsten wie ein Panzer ins Kabinett rollen würde. Er war plötzlich als Staatskanzlei-Chef in der Diskussion, nachdem Schmid sich geweigert hatte. Nach dem Aus für Bernhard braucht München wegen des Proporzes noch einen Ministerposten.
Nur einer setzte sich durch: Markus Söder, Ex-General und Außenminister. Seehofer hatte ihm in den letzten Tagen das Finanzministerium angedient. Doch der Nürnberger lehnte schroff ab. Auf die Landesbank habe er nun wirklich keinen Bock. Er will sich in den nächsten Jahren schön profilieren – als Umweltminister und Nachfolger Seehofers auf dem Bayern-Thron.
Gestern Abend um 21 Uhr bestellte Seehofer dann seine vier CSU-Vizes Beate Merk, Barbara Stamm, Ingo Friedrich und Peter Ramsauer in die Regierungszentrale. Dazu noch einmal Georg Schmid samt seiner Fraktionsspitze.
Gesetzt waren da schon als Innenminister: Joachim Herrmann (52). Als Finanzminister: Georg Fahrenschon (40). Als Umweltminister: Markus Söder (41). Als Landwirtschaftsminister: Marcel Huber (40). Als Schulminister: Siegfried Schneider (52). Als Justizministerin: Beate Merke (51). Noch nicht klar war zwischen Emilia Müller (57) und Christine Haderthauer (46), wer das Bundes- und Europaministerium und wer das Familienministerium bekommt – und ob die Ex-Generalin überhaupt dabei ist. Die Staatssekretäre Melanie Huml (33, Schule) und Bernd Sibler (37, Kultus) dürfen bleiben.
Eine Sache wollte Seehofer noch überschlafen: Was er mit Ilse Aigner (43) und Karl-Theodor zu Guttenberg (36) macht. Die eine wird Bundesagrarministerin in Berlin, der andere CSU-Generalsekretär. Oder umgekehrt.