McCain-Rede: "Es kommt ein Wandel"
Sollte er im November gewählt werden, wäre John McCain der bei Amtsantritt älteste Präsident der Vereinigten Staaten. Die Abschlussrede des Kriegsveteranen war sehr ergreifend, als er seine Nominierung annahm.
Mit einer Kampfansage an das Washingtoner Establishment und dem Versprechen, bis zum letzten Atemzug für sein Vaterland zu kämpfen, hat der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain die heiße Phase seines Wahlkampfes eröffnet. In seiner mit Spannung erwarteten Antrittsrede als Spitzenbewerber präsentierte sich McCain am Donnerstagabend (Ortszeit) auf dem Parteitag in Minneapolis-St. Paul (Bundesstaat Minnesota) als erfahrener Beschützer Amerikas und zugleich als ein Reformer, der zusammen mit seiner Vizekandidatin Sarah Palin dem Washingtoner Filz ein Ende bereiten werde. Für den Fall seines Wahlsieges am 4. November bot der langjährige Senator aus Arizona und Vietnamkriegsveteran bei seinem umjubelten Auftritt eine Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg an.
Vor der Rede McCains (72), in der er offiziell die Nominierung als Spitzenkandidat akzeptierte, hatte der Parteitag Palin (44) per Akklamation als seine Nummer zwei bestätigt. Die stark konservative Gouverneurin von Alaska hatte bereits am Vortag eine von den rund 2400 Parteitagsdelegierten begeistert aufgenommene Antrittsrede gehalten. Palin ist die erste republikanische Vizekandidatin in der US-Geschichte. McCain wäre im Fall seines Sieges bei den Präsidentschaftswahlen am 4. November der älteste Politiker, der jemals neu ins Weiße Haus eingezogen ist.
In seiner Ansprache genau eine Woche nach der Antrittsrede des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama (47) machte McCain klar, dass er sich trotz seines Alters als der wahre Reformer versteht. «Lasst mich eine Vorauswarnung an die alte Horde in Washington richten, die groß im Ausgeben ist, nichts tut, zuerst an sich selbst denkt und erst als zweites an das Land: Es kommt ein Wandel», sagte McCain. Er kündigte einen entschiedenen Kampf gegen den Einfluss der Lobbyisten, Korruption und Geldverschwendung aus politischen Eigeninteressen an.
Palin werde ihm dabei erfolgreich zur Seite stehen. Er könne es kaum erwarten, seine Vizekandidatin in Washington vorzustellen, sagte McCain. Ihre Rede am Mittwoch war nach Angaben der Nielsen- Medienforschungsgruppe in den USA von 37,2 Millionen Fernsehzuschauern verfolgt worden - eine fast so hohe Einschaltquote wie sie Obama bei seiner Antrittsrede als Präsidentschaftskandidat vor einer Woche erreicht hatte. Obama hatte mit 38,4 Millionen TV- Zuschauern in den USA die bisher höchste Zahl bei einer Parteitagsrede erreicht.
Während Palin Obama und die Demokraten massiv angegriffen hatte, schlug McCain versöhnlichere Töne an. Demokraten und Republikaner sollten zusammen ihre «besten Ideen» zum Wohl des Landes nutzen, sagte McCain. Das ständige Parteiengerangel habe schon viel zu lange der Lösung wichtiger Probleme im Land im Wege gestanden. Im innenpolitischen Bereich versprach McCain im Fall seines Wahlsiegs Ausgabendisziplin, ein Beibehalten niedriger Steuersätze und weitere Kürzungen wo sie möglich seien. Außerdem wolle er neue Märkte öffnen, die Schulbildung verbessern und auf dem Energiesektor die Abhängigkeit von ausländischem Öl verringern. Um dieses Ziel zu erreichen, will er 45 neue Kernkraftwerke bauen, im Fall seines Wahlsieges sofort mit Ölbohrungen in bisherigen Tabuzonen vor den US- Küsten beginnen und alternative Energien fördern. Auf die schwächelnde US-Konjunktur und die Wirtschaftspolitik insgesamt ging McCain nicht ein. In der Außen- und Sicherheitspolitik versprach er, alle diplomatischen und notfalls auch militärischen Mittel einzusetzen, um Amerika zu schützen. «Ich weiß, wie die Welt funktioniert, ich kenne mich mit gut und Böse aus», sagte McCain, dessen Vater und Großvater Admiräle waren. Details nannte er aber auch hier nicht. In weiten Teilen seiner Rede ging McCain auf seine Kriegsgefangenschaft in Vietnam ein, die ihn zu einem wahren Patrioten gemacht habe. Er gehöre seitdem nicht mehr sich selbst, sondern seinem Land, sagte McCain. Erneut verteidigte er den Irakkrieg und die von Präsident George W. Bush verfügte Truppenaufstockung im vergangenen Jahr. Er habe sie unterstützt, obwohl das unpopulär gewesen sei, sagte McCain. Aber für ihn sei es wichtiger gewesen, einen Krieg zu gewinnen als eine Wahl. Vor der Antrittsrede hatte die potenzielle nächste First Lady Cindy McCain auf dem Parteitag für ihren Mann geworben. «Es bedarf eines Mannes mit ungewöhnlicher Stärke und Charakter - genau wie mein Ehemann - um uns durch die Riffe und Strömungen zu steuern, die vor uns liegen», sagte sie. «Ich kenne John. Man kann seiner Hand am Steuer vertrauen.» (dpa)