Maue Gipfelproteste - Streit um massive Polizeipräsenz
Garmisch-Partenkirchen - Die G7-Gegner haben ihre Proteste zum Abschluss des Gipfeltreffens am Montag vorzeitig abgebrochen. Die Polizei sieht ihre Strategie der Stärke bestätigt. Doch um die Dimension des Einsatzes mit mehr als 20 000 Beamten ist ein politischer Streit entbrannt. Von Grünen und Gipfelgegnern kam scharfe Kritik. Die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen beurteilte das Treffen der Staats- und Regierungschefs auf Schloss Elmau als gelungene Tourismuswerbung für den Kurort.
Nur knapp 100 statt der erwarteten 500 Demonstranten kamen zur Abschlusskundgebung in Garmisch-Partenkirchen. Das Aktionsbündnis "Stop G7 Elmau" sagte daraufhin den geplanten Protestmarsch ab. "Weil wir gestern schon so viel gelaufen sind", sagte die Veranstaltungsleiterin Ingrid Scherf zur Begründung. Viele Bewohner des Protestcamps am Ortsrand waren bereits am Sonntagabend abgereist. Wer geblieben war, hatte eine ungemütlich regnerische Nacht hinter sich.
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"Die deutliche Polizeipräsenz hat dafür gesorgt, dass sich potenzielle Gewalttäter genau überlegt haben, ob sie etwas anstellen oder überhaupt anreisen", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in München. Es habe "keine nennenswerten Störungen" gegeben, betonte Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer.
Keine Rechtfertigung für Polizeipräsenz?
Die Gipfelgegner feierten ihre Demonstrationen ebenfalls als Erfolg. "Wir konnten einen sehr bunten, sehr kreativen, sehr kraftvollen Protest auf die Straße tragen", sagte Bündnissprecherin Cornelia Teller. Für die massive Polizeipräsenz habe es angesichts friedlicher Demonstrationen keine Rechtfertigung gegeben.
Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch sagte, Bayern habe einen Ruf als sicherstes Bundesland - und handele entsprechend. "Natürlich kann da der Eindruck entstehen: Da ist zu viel gemacht worden." Eine gewisse "Panikmache" im Vorfeld gehöre wohl zum Geschäft. "Man stellt es ein bisschen überzogen dar - und kann dann sagen: Es ist deshalb nichts passiert, weil man vorher so wachsam war", sagte sie. "Das wird man nie widerlegen oder bestätigen können."
Weitaus weniger Demonstranten als erwartet
Insgesamt kamen zu den Protesten weniger als erwartet. An der zentralen Demonstration nahmen am Samstag laut Veranstaltern 5000 Menschen teil, die Polizei sprach von 3600. Einige Demonstranten verhehlten nicht ihre Enttäuschung. Über die geringe Beteiligung sei er etwas traurig, sagte der Garmisch-Partenkirchener Heinz-Peter Fehrecke. "Das lag unter anderem an der Drohkulisse der Polizei", meinte er. Er habe sich auch "mehr Unterstützung aus München" gewünscht. Dort hatten am Donnerstag unter dem Motto "TTIP stoppen - Klima retten - Armut bekämpfen" fast 35 000 Menschen demonstriert. Die Gegner waren nicht geschlossen aufgetreten.
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Laut Polizeisprecher Kammerer wurden 72 Menschen vorübergehend in Gewahrsam genommen. Zwei Männer blieben in Haft: Einer soll einen Suppenteller auf Polizeibeamte geworfen haben, ein anderer einen Holzpfeil. Vorsorglich hatten in Containern 200 Zellenplätze bereitgestanden, 100 Richter waren in Bereitschaft. Acht Polizisten seien verletzt worden, einer von ihnen schwer. Er habe Feuerlöschpulver eingeatmet.
Herrmann hatte vor dem G7-Gipfel gewarnt, er rechne mit bis zu 3000 gewaltbereiten Demonstranten. Laut Kammerer kamen aber nur 300 bis 500 "eindeutig gewaltbereite Autonome".
Kritik am Polizeiaufgebot
Der Polizeieinsatz habe "in groteskem Widerspruch zu den Störungen" gestanden, sagte Gegneranwalt Marco Noli. "Die Vorfälle bewegten sich von ihrer Anzahl und Art her im Bereich eines bayerischen Volksfestes." Auch die Innenexpertin der Landtags-Grünen, Katharina Schulze, sprach von einem "Sicherheits-Overkill": "Weniger wäre mehr gewesen. Besser für die Demokratie, besser auch für die stark belasteten Einsatzkräfte."
Einheimische, die zunächst den Protesten skeptisch gegenüber standen, zeigten am Montag fast Mitleid mit den Demonstranten: "Zuerst zu viel Polizei, dann zu heiß, dann zu viel Regen. Das ist nicht gut gelaufen für sie", sagte ein Anwohner.
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Die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen bewertete den Gipfel als gute Tourismuswerbung. "Wir erwarten uns schon einen Marketingerfolg", sagte Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer (SPD). "Die Bilder, die bisher vom G7-Gipfel um die Welt gehen, stehen im Kontrast zu denen vom G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Deshalb kann ich mir durchaus vorstellen, dass uns der Gipfel etwas bringen wird." Auch der Landrat Anton Speer erklärte: "Das war Werbung für unsere Region."
Mit einer riesigen Laserprojektion auf das Wettersteingebirge forderten Umweltschützer die G7-Staaten zu einer globalen Klimawende auf. Ein extrem leistungsstarker Projektor warf am Morgen die Forderung "G7: 100 % Erneuerbare Energien!" aus knapp 2,5 Kilometern Entfernung auf die Felswand des Waxensteins.