Marx’ Manifest
MÜNCHEN - Münchens streitbarert Erzbischof Reinhard Marx geißelt in seinem Buch sündige Manager, beklagt Armut und sympathisiert mit dem Mindestlohn. Seine Lösung: „Wir brauchen einen Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus.“
Da kommt der Mann, den sein Verleger „nicht nur von der Physis her“ als „Leuchtturm“ bezeichnet: Schwarze Soutane, weißes Haar, freundliches Lächeln, fester Blick: Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, Namensvetter von Karl Marx – und ähnlich streitbar wie dieser. In der ehemaligen Karmeliterkirche stellte der 55-Jährige gestern sein 320 Seiten starkes Buch vor: „Das Kapital – ein Plädoyer für den Menschen“.
Ein Buch, in dem der Sohn eines Schlossermeisters wilde Spekulation als Sünde brandmarkt und zu Umkehr aufruft, in dem er die Armut mitten in der Wohlstandsgesellschaft anprangert und „moderne Räuberbanden“ beim Namen nennt. „Soll ein Bischof sich überhaupt zu Fragen von Wirtschaft und Politik äußern? Ist er dafür kompetent?“, fragte er gestern und antwortete gleich selbst: „Ich meine ja!“ Zuerst habe er gezögert, das Buch zu schreiben, „weil es sehr direkt auf politische, gesellschaftliche und soziale Herausforderungen eingeht und ich als Bischof damit auf den Marktplatz der öffentlichen Auseinandersetzung trete. Aber die Kirche muss sich einbringen, auch auf die Gefahr hin, kritisiert zu werden!“ Angst vor Diskussionen hat der Neu-Bayer nicht. „Ich hoffe, dass das Buch wirklich Diskussionen – auch kontroverse – hervorruft. Wir brauchen diese Grundsatzdebatte. Um des Menschen willen!“
Marx’ Manifest im Überblick:
Marx über "moderne Räuberbanden":
Die Räuber von heute tragen Anzüge und jonglieren per Laptop und Handy mit Millionen. Manager von „Geierfonds“, die die Schulden armer Länder aufkaufen und dann eintreiben, geißelt der Geistliche besonders: „Ich glaube fest, dass diese ,Investoren’, die mit ihnen kooperierenden Banker und ihre (Un-)Rechtsanwälte dereinst vor Gott Rechenschaft für das von ihnen begangene Unrecht werden ablegen müssen. Ich glaube nicht, dass ihnen dann der Hinweis auf bestehende Gesetzeslücken helfen wird. Die Gebote Gottes kennen keine Löcher, durch die jene schlüpfen könnten, die sich an der Not und dem Elend anderer bereichern.“
Marx über Armut mitten im Wohlstand:
Den wachsenden Niedriglohnsektor hält er für einen „sozialen Rückschritt“, „der nicht nur für die Arbeitnehmer bedrohlich ist, sondern für das ganze System der sozialen Marktwirtschaft. (...) Es muss möglich sein, dass jemand, der einen vollen Arbeitsplatz hat, mit seinem Einkommen auch menschenwürdig leben kann. Dieser Grundsatz kann aus christlich-sozialethischer Sicht nicht zur Disposition gestellt werden. Wir können hier nicht achselzuckend auf die Gesetze des Marktes verweisen.“ Es scheint, als ob Marx den Mindestlohn gut findet.
Marx über globale soziale Marktwirtschaft:
„Wir brauchen einen Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus, einen dritten Weg“, so der Erzbischof. Seine „Leitplanken“ seien Solidarität, Subsidiarität, aber auch die Eigenverantwortlichkeit des Menschen. „Ein Kapitalismus ohne Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit hat keine Moral und auch keine Zukunft“, so der Katholik. „Ähnlich der nationalstaatlichen Rahmenordnung brauchen wir eine weltweite Regelung für Finanzströme, Arbeitnehmerrrechte und das wirtschaftliche Verhalten.“
Marx über Marx:
Karl Marx habe nicht nur posthum einsehen müssen, dass er sich mit seiner Behauptung von der Nicht-Existenz Gottes getäuscht habe, scherzt der Erzbischof. Auch sonst sei der Kommunist häufig falsch gelegen. Trotzdem befürchtet Marx II., dass wir, wenn die aktuellen Herausforderungen nicht gemeistert werden, „Karl Marx als Wiedergänger der Geschichte begegnen. Aber das soll er um des Menschen willen nicht. Er soll in Frieden ruhen.“
„Das Kapital“ von Reinhard Marx gibt’s ab 5. November für 19,95 Euro im Handel.
Daniela Transiskus
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