Markus Söder: "München ist nicht multikulturell"

In der AZ spricht Markus Söder über seine heimliche Liebe zur Landeshauptstadt – und darüber, wie er die Münchner von sich überzeugen will.
Interview: Felix Müller, Thomas Müller |
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Weißwurst-Frühstück: Finanz- und Heimatminister Markus Söder mit Lokalchef Felix Müller und Vize-Chefredakteur Thomas Müller (rechts).
Weißwurst-Frühstück: Finanz- und Heimatminister Markus Söder mit Lokalchef Felix Müller und Vize-Chefredakteur Thomas Müller (rechts).

Der CSU-Politiker Markus Söder (50) ist seit 2013 bayerischer Heimat- und Finanzminister. Hier äußert er sich im Interview mit der Abendzeitung

Der Englische Garten in aller Herrgottsfrüh: ein Treffen mit dem Herrn des Parks – zum Weißwurstfrühstück. Interessant, wie Markus Söder die gebrühte Spezialität seziert. Ein Längsschnitt, der Rest ist rausschaben. Angesichts des ministeriellen Gemetzels auf dem Teller ist klar: Wir müssen dringend über München reden.

AZ: Herr Söder, wenn Sie die Augen schließen und an München denken: Was sehen Sie?

MARKUS SÖDER: Den Chinesischen Turm und den Englischen Garten. Das fasziniert mich seit meiner Kindheit. Damals bin ich mit meinen Eltern einmal im Jahr hergefahren – und dann ging es noch aufs Oktoberfest.

Wie war die Wiesn damals?

Sie war für mich – wie München überhaupt – die große weite Welt.

Heute sind Sie Heimatminister. Touristen in Plastik-Trachten auf der Wiesn: Eine Bereicherung – oder doch eher eine Zumutung?

Die Vielfalt der Wiesn ist das Faszinierende. Es gibt tolle traditionelle Trachten, aber auch Wegwerf-Dirndl für Amerikaner vom Discounter. Ich glaube, die Wiesn ist das Ereignis schlechthin in Bayern mit dem größten internationalen Anstrich. Wenn ich im Hofbräu-Zelt anzapfe und Grüß Gott sage, dann jubelt die eine Hälfte. Und wenn ich danach Welcome rufe, dann freut sich die andere.

Sie selbst sind Anfang der 90er nach München gezogen. Was hat sich seitdem verändert?

Es hat sich schon verändert. Diese erfolgreiche wirtschaftliche Dynamik ist beeindruckend. Was mir manchmal ein bisschen fehlt, ist der alte Münchner Charme. Wir haben schon etwas Glitzer und Glamour gegenüber Berlin eingebüßt. Und das Monaco-Franze-Feeling ist weniger geworden.

Was bedeutet das für die Politik?

Wir sind die wirtschaftlich attraktivste Stadt in Deutschland. Auch in der Hochkultur sind wir stark mit den Museen und dem neuen Konzertsaal. Aber in der Lebenskultur können wir mehr machen. Gerade das alte Schwabing mit seinem Charme fehlt mir. Da müssen wir uns was überlegen.

Ihnen ist München zu glatt und sauber geworden?

Das nicht. Die Berliner sagen ja, sie sind arm und sexy – Ersteres stimmt, Zweiteres würde ich bestreiten. Aber wir wollen trotz aller Dynamik auch das alte Münchner Lebensgefühl erhalten.

"München hat Glitzer und Glamour eingebüßt – gegenüber Berlin"

Gibt es noch Situationen im Alltag, in denen man sich als Franke und Protestant mit Klischees konfrontiert sieht?

In München kommen ja Menschen aus allen Teilen Deutschlands zusammen. Am Ende werden alle Überzeugungsbayern. Jeder trägt irgendwann seine Lederhose. Natürlich gibt es über Franken ein paar Frotzeleien. Aber das ist eher charmant gemeint. Und evangelisch oder katholisch spielt keine Rolle mehr. Ich bin froh, wenn überhaupt jemand gläubig ist.

Ein Sommernachmittag, ihr Termin fällt aus: Wo setzen Sie sich in die Sonne?

Gleich gegenüber vom Ministerium sitze ich gerne bei Schumanns im Hofgarten. Ich schaue den Bocciaspielern zu – und habe die Staatskanzlei im Blick. Auch der Englische Garten gefällt mir gut. Und wenn es sich einrichten lässt, gehe ich im Nymphenburger Schlosspark spazieren.

Weißwurst-Frühstück: Finanz- und Heimatminister Markus Söder mit Lokalchef Felix Müller und Vize-Chefredakteur Thomas Müller (rechts).
Weißwurst-Frühstück: Finanz- und Heimatminister Markus Söder mit Lokalchef Felix Müller und Vize-Chefredakteur Thomas Müller (rechts).
Weißwurst-Frühstück: Finanz- und Heimatminister Markus Söder mit Lokalchef Felix Müller und Vize-Chefredakteur Thomas Müller (rechts). Foto: Daniel von Loeper

Stichwort Englischer Garten: Was müssen die Münchner ihnen Gutes tun, damit Sie sagen: Wir bauen die Tram statt der Busse durch den Park?

Erst einmal bin ich froh, dass wir die Narbe schließen und den Mittleren Ring unter die Erde verlegen.

Und die Tram?

Die Tram überzeugt mich einfach nicht. Wir haben viele Gespräche geführt und sind sicher, dass die Tram keine gute Lösung ist.

Haben Sie ein Veto als Grundbesitzer des Parks?

Ohne uns wird es nicht gehen.

Sie haben als Franke den Schlüssel zur Schatzkammer der Residenz. Gibt es noch Begehrlichkeiten aus Franken wegen der Kulturgüter?

Natürlich gibt es immer Wünsche aus ganz Bayern. Mit vielen Landesausstellungen haben wir dem Rechnung getragen. Es ist aber konservatorisch nicht alles möglich. Ich glaube übrigens, dass es den meisten Münchnern auch ziemlich egal ist, ob hier ein Schwert oder Bild mehr oder weniger ausgestellt wird.

Was ist den Münchnern denn wichtig?

Der Konzertsaal ist wichtig, aber eine Surfwelle am Eisbach ist es auch. Ich finde schön, dass wir mehr Zugänglichkeit zum Wasser schaffen und ei-nen Boulevard Isar mit Cafés entwickeln. In die Oper geht man einmal im Jahr, an den Fluss fast jeden Tag. München ist eine sehr junge Stadt und wir müssen auch was für die jungen Leute bieten.

Wie beenden Sie den Satz: München hat es offensichtlich schlechtgetan, jahrzehntelang von SPD-OBs regiert zu werden, weil...

Die Staatsregierung hat München seit jeher vorangebracht. Die großen Entscheidungen für München trifft der Freistaat - denken Sie nur an die Zweite Stammstrecke, den Konzertsaal oder die Exzellenz-Universitäten. Übrigens habe ich mit der neuen Stadtregierung deutlich weniger Probleme als mit der alten.

„Die Mietpreisbremse ist ein Flop. Sie muss endlich wirken“

Reiter statt Ude?

Zum einen gibt es mit Josef Schmid einen guten Bürgermeister. Und Ude war halt wie er war: sehr sensibel. Er konnte ja sehr humorvoll über andere reden. Aber Einstecken war keine große Tugend von ihm. Mit Reiter kann ich persönlich deutlich besser. Wir schreiben sogar SMS.

Bis heute vergeht kein Münchner SPD-Parteitag, ohne dass Sie wegen des Verkaufs der GBW-Wohnungen scharf angegriffen werden. Wird der Wahlkampf in der Mieter-Stadt München besonders hart für Sie?

Nein. Erstmal war es schon Thema im letzten Wahlkampf - mit bekanntem Ergebnis für die SPD. Und: Ude war damals leider zu mutlos, die GBW-Wohnungen zu erwerben. Für die Landesbank war der Verkauf alternativlos und die Stadt hat einfach zu wenig geboten. Bei dem Thema Mieten werden wir uns aber unabhängig davon mehr überlegen müssen.

Was kann der Freistaat mehr tun für Münchner Mieter?

Wir stellen sehr viel Geld zur Verfügung für den Wohnungsbau. Als Finanzminister baue ich allein 1000 Wohnungen in München. Aber Grundstücksausweisung, Bauplanung, Abwicklung dauern in München leider noch zu lange. Die Bauvorschriften müssten vom Bund deutlich entrümpelt werden. Wir müssen einfach alles beschleunigen. Und wir müssen Menschen mehr fördern, die Wohnraum erwerben wollen. Wir brauchen einen Pakt für schnelleres und besseres Bauen – auch für normale Arbeitnehmer, für Beamte und Studenten.

Den alten Münchnern in ihren Wohnungen bringt all das nichts. Sie brauchen einen Mieterschutz, der funktioniert.

Doch, es bringt schon etwas. Mehr Wohnungen erhöhen das Angebot am Markt und lassen die Preise fallen.

Die Mietentwicklung werden Sie so trotzdem nicht ausgebremst bekommen.

Natürlich ist es enttäuschend, dass die Mietpreisbremse von SPD-Justizminister Maas nicht funktioniert. Man muss sie endlich so überarbeiten, dass sie wirkt.

Was bedeutet das?

Ich bin nicht der Justizminister – und habe nicht vor, es zu werden. Aber die Mietpreisbremse war ein Flop, und Herr Maas muss jetzt dafür sorgen, dass die Mietpreisbremse funktioniert.

„Ich bin ein liberaler Mensch, ich komme aus der Großstadt“

Sie haben in der Münchner CSU besonders viele Unterstützer. Ausgerechnet in dem liberalen Bezirksverband: Wie passt das zusammen?

Ich bin selbst ein liberaler Mensch, ich komme auch aus einer Großstadt. In der Einwanderungspolitik übrigens war die Münchner CSU immer mit mir auf einer Linie – denken Sie nur daran, dass Josef Schmid schon im Herbst 2015 als einer der ersten in München eine klare Position in der Zuwanderungsfrage hatte.

Würden Sie als Ministerpräsident mit Bürgermeister Schmid auf den Christopher Street Day gehen, wenn er Sie einladen würde?

Ich bin weder Ministerpräsident noch eingeladen. Darum beschäftige ich mich damit nicht. Und ich weiß auch nicht, ob ich da wirklich hinpasse. Mancher würde das vielleicht auch als anbiedernd interpretieren. Aber natürlich gehört diese Veranstaltung gerade in der Großstadt auch dazu.

Es gab immer zwei Münchner in der Staatsregierung. Nun drängen drei in die nächste: Spaenle, Eisenreich und Blume. Könnten alle drei in der nächsten Regierung sitzen?

Man sollte das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Wer weiß schon, wie die nächste Staatsregierung aussehen wird. Aber ich muss sagen, dass München ein echter Talentschuppen geworden ist. Die Stadt ist für mich persönlich auch die Schlüsselherausforderung für die Wahlen.

Warum?

Im Ballungsraum München leben immer mehr Menschen. Es ist das wirtschaftliche Zentrum Bayerns, in dem über 40 Prozent der bayerischen Steuereinnahmen erwirtschaftet werden. Hier wird die Zukunft Bayerns mitentschieden.

Sie haben kürzlich bei der Münchner CSU gesagt, dass Deutschland wieder werden soll, was es mal war. Was soll das für eine multikulturelle Stadt wie München bedeuten?

Grünes Multikulti gibt es in München nicht. Denn das bedeutet, nur nebeneinander herzuleben ohne Maßstab und Grenzen. Ich bin für ein Leben und Leben lassen auf Basis einer bayerischen Leitkultur. Dazu gehört die Gleichberechtigung von Mann und Frau, keine Burka und Nikabs und der Respekt vor unserer christlich-abendländischen Werteordnung.

Aber all das ist in München doch heute Alltag. Wohin wollen Sie also zurück?

Zum Glück achten wir in Bayern darauf, dass es so bleibt. Ich spreche über andere deutsche Städte. Dass Silvesterfeiern in Köln frauenfrei sind, dass in Teilen Berlins der Staat sich zurückgezogen und Familien-Clans die staatliche Ordnung überlassen hat, dürfen wir nicht tolerieren. Ganz Deutschland braucht Sicherheit wie in Bayern.

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