Diese Technik begeistert Markus Söder auf China-Reise: "Das wollen wir auch"
München/Sichuan - Pit und Paule lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Selbstvergessen balgen die Panda-Zwillinge im Unterholz ihres Geheges. Der politische Gast aus ihrem Geburtsland, die Menschentraube aus Delegationsmitgliedern und Journalisten am Zaun, das Surren der Kameras - von ihnen nehmen die beiden Bären keine Notiz.
Markus Söder lächelt trotzdem. Pandas seien niedliche, knuffige, wunderschöne Tiere, sagt er. "Außerdem sind sie friedlich und insofern gut geeignet für den Begriff der Panda-Diplomatie."
Markus Söder in China: Ministerpräsident will "Türöffner" für Wirtschaft sein
Der bayerische Ministerpräsident ist aktuell in China unterwegs, will "Türöffner" und "politischer Geleitschutz" für die Wirtschaft sein. Begleitet wird er dabei von Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Erste Station ihrer Reise ist Sichuan im Südwesten der Volksrepublik, nach Shangdong (seit 1987) und Guandong (seit 2004) die jüngste der drei chinesischen Partnerprovinzen des Freistaats. Das entsprechende Abkommen wurde erst 2023 unterzeichnet. "Kein Bundesland hat so viele Partnerprovinzen wie wir", sagt Söder gewohnt selbstbewusst.
Und weil Sichuan die Heimat der vom Aussterben bedrohten Großen Pandas ist, startet das Besuchsprogramm am Montag dort: in der Aufzuchtstation der Provinzhauptstadt Chengdu. 1987 hat die Artenschutz- und Forschungseinrichtung damit begonnen, verletzt in Freiheit gefundene Bären aufzupäppeln und Nachwuchs zu züchten.
Heute leben dort fast 250 der chinesischen National-Tiere. Im selben Zeitraum verdoppelte sich die Zahl der wilden Pandas nahezu: von rund 1000 auf fast 1900, 75 Prozent davon fressen ihren Bambus in Sichuan.
Söder unterzeichnet neues Abkommen
Pit und Paule (*2019) allerdings sind die ersten Panda-Zwillinge, die jemals in Deutschland zur Welt gekommen sind. Ihre Eltern sind eine Leihgabe der Chinesen, die den Berliner Zoo jährlich 920.000 Euro kostet. Mitte Dezember wurden die Bären-Buben nach Sichuan gebracht. Gut möglich, dass auch sie einmal im Zeichen des Arterhalts auf die Reise in einen anderen Tierpark geschickt werden.
Doch bevor es soweit ist, herzt Söder in Chengdu erst einmal die Plüschversion der in China besonders beliebten Pandadame "Blümchen" - für die Fotografen und auch für den eigenen X-Account.
Wenig später philosophiert der CSU-Chef am Wuhou-Schrein über die konfuzianischen Tugenden Rechtschaffenheit, Weisheit, Menschlichkeit, Sittlichkeit und Aufrichtigkeit - "das sind die Maßstäbe der deutschen Politik"-, bevor er mit dem Gouverneur von Sichuan, Huang Qiang, ein neues Partnerschaftsabkommen unterzeichnet. Die wirtschaftlichen, forschungstechnischen und sportlichen Verbindungen zwischen Bayern und der chinesischen Provinz sollen weiter gefestigt werden.
Bei der oberpfälzischen Max-Bögl-Firmengruppe und ihrem Joint-Venture Partner Xinzhu funktioniert die Kooperation offenbar schon jetzt sehr gut. Gemeinsam haben sie eine Magnetschwebebahn entwickelt, die für den städtischen und regionalen Verkehr vorgesehen ist und in bestehende U-Bahn-Schächte eingebaut werden kann.
Eine kluge, spannende Idee für moderne Mobilität, findet der bayerische Ministerpräsident - "deutlich klimafreundlicher als viele Busse und leiser als Straßenbahnen. Das wollen wir auch".
Söder trifft "die Nummer zwei" in China
In Söders Heimatstadt Nürnberg soll deshalb nach seinen Worten bald eine Machbarkeitsstudie für eine Magnetschwebebahn aufs Gleis gesetzt werden. Aber vorher hat der MP noch einige Termine im Reich der Mitte zu absolvieren.
Er besucht einen Sportpark, den Adidas fördert und auf dem Mädchen einer Fußballakademie des FC Bayern auf "Rasen" trainieren, der aus 40.000 Paar recycelten Sportschuhen hergestellt wurde (die Netze der Tore bestehen aus alten Schnürsenkeln). Söder trifft Vertreter von Playmobil und am Dienstag soll ein Gespräch mit dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao folgen.
Der mit Abstand prestigeträchtigste Eintrag steht am Mittwoch im Terminkalender: Da trifft der Ministerpräsident des Freistaates Bayern den Premierminister der Volksrepublik Li Qiang, "der Nummer zwei" hinter Staatspräsident Xi Jinping, wie Söder sichtlich stolz betont. Li war 2023 zu Gast in München - nun hat er Söder eingeladen.
Der verweist darauf, dass Bayern immer schon eine besondere Beziehung zu China gehabt habe, seit Franz Josef Strauß 1975 als erster deutscher Politik von Mao Tse-Tung empfangen worden war: "Wir werden quasi behandelt wie ein eigener Staat." Zu der Auffassung passt die Tatsache, dass für Söders Wagenkolonne die Straßen durch Chengdu in Teilen gesperrt werden.
China ist Bayerns größter Handelspartner. Laut der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) lag das Handelsvolumen des Freistaats mit dem asiatischen Land im Jahr 2023 bei rund 53 Milliarden Euro. Das sind mehr als elf Prozent des gesamten bayerischen Außenhandels. Die Exporte in die Volksrepublik beliefen sich im selben Zeitraum auf rund 17 Milliarden Euro - Platz drei hinter den USA und Österreich.
Auf der anderen Seite bezog der Freistaat Güter im Wert von knapp 36 Milliarden Euro aus China, das damit 2023 mit einem Anteil von 14,8 Prozent das mit Abstand wichtigste Importland Bayerns war. "Bayern ist für China eine Powerregion. Wir glauben an Powerregionen, die in Allianzen verbunden sind", sagt Söder.
Was die Opposition von Söder verlangt
Sein Werben um die Chinesen beobachten sie bei der vbw mit Wohlwollen. "Für Wirtschaft und Politik gilt es, eine Balance zwischen Wettbewerb, Systemrivalität und Partnerschaft für die Beziehungen mit China zu finden", sagt Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.
Der Freistaat profitiere sowohl von dem großen und dynamisch wachsenden Absatzmarkt als auch von den Importen aus China. "So sind wir zum Beispiel bei der Energiewende auf Lieferungen aus China angewiesen." Aber natürlich müsse man "auch kritisch auf China schauen - besonders mit Blick auf den Konflikt auf Taiwan und auf die zum Teil aggressive Subventionspolitik", so Brossardt.
Und die bayerische Opposition verweist auf die Menschenrechtslage in dem asiatischen Land. Diese habe sich seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping massiv verschlechtert, sagt SPD-Landes- und Fraktionschef Florian von Brunn. Die kommunistische Partei habe die Massenüberwachung ausgeweitet, ethnische Minderheiten würden unterdrückt, unabhängige Aktivisten verhaftet.
"Ich erwarte von Herrn Söder, dass er die massiven Menschenrechtsverstöße in China im geeigneten Rahmen zur Sprache bringt und nicht höflichst dem Diktator gegenüber ignoriert", gab der Sozialdemokrat dem Christsozialen daher mit auf die Reise.
"Wir sind nicht naiv, sondern sehr realistisch"
"Wir sind an dieser Stelle nicht naiv, sondern sehr realistisch", sagt Söder. "Wir erkennen die Herausforderungen, die China darstellt." Er setze allerdings mehr auf Real- als auf Moralpolitik. "Wir werden natürlich alle Dinge ansprechen, die anzusprechen sind, aber eben anders als andere."
Es gehe nicht darum zu brüskieren oder zu belehren, sondern darum, im Dialog zu bleiben und auf diesem Weg Veränderungen zu erreichen. "Sich in kleinen Schritten annähern, über wirtschaftliche Bereiche versuchen, im Gespräch zu sein" - so erklärt Söder die bayerische "Panda-Diplomatie". Eigentlich bezeichnet der Begriff das frühere Vorgehen Chinas, seine seltenen National-Tiere zu verschenken, um sich so - zumindest symbolisch - dem Westen anzunähern.
Wie auch immer. Bis zum Abend des ersten vollständigen Tages seiner China-Reise hat Markus Söder drei der chinesischen Glücks-Bärchen überreicht bekommen: zwei aus Plüsch und eins aus recyceltem Kunststoff.