Marine-Schiff Gorch Fock: "Ein Puff im Wasser"

Es wurde gebrüllt, gedrillt und gequält auf der Gorch Fock und es geht auch um sexuelle Belästigung. Eine Offiziersanwärterin erzählt von üblen Zuständen. Der Stolz der Marine gilt als „größter schwimmender Puff“ Deutschlands.
von  Abendzeitung
Das Marine-Schulschiff «Gorch Fock»
Das Marine-Schulschiff «Gorch Fock» © dpa

BERLIN - Es wurde gebrüllt, gedrillt und gequält auf der Gorch Fock und es geht auch um sexuelle Belästigung. Eine Offiziersanwärterin erzählt von üblen Zuständen. Der Stolz der Marine gilt als „größter schwimmender Puff“ Deutschlands.

Drill und Einschüchterung, Schlafmangel und sexuelle Belästigung. Maria S. (Name geändert) hat keine guten Erinnerungen an ihre Zeit auf der „Gorch Fock". Während ihrer Ausbildung verbrachte die Offizieranwärterin mehrere Wochen auf dem Segelschulschiff der Marine. Sie war vergangenen November an Bord, als Sarah S. beim Klettern in der Takelage aus 27 Metern Höhe auf das Deck prallte und starb. Das Schiff ist seitdem in Verruf gekommen. Zurecht, meint Maria.

„Solange das Ganze im Hafen stattfindet – mit Musikkorps und Ausgehuniform – ist das natürlich eine ganz große Sache", erzählt sie. Draußen auf See, war ihre Begeisterung schnell verflogen. Es ist Leben auf engstem Raum mit rauem Befehlston und straffer Hierarchie. Die Kadetten stehen ganz unten in der Hackordnung. Sie schlafen in Hängematten im Zwischendeck. „Privatsphäre gibt es nicht. Besonders als Frau hat man das Gefühl, sich aufgeben zu müssen", sagt Maria: „Ich habe mir am dritten Tag gesagt: Du schaltest jetzt auf stumpf, ansonsten überlebst du das hier nicht." Deckschrubben mit der Zahnbürste und ständiges Gebrüll – „das ist systematisches Schleifen wie in einem schlechten Film." Und dazu ständige Übermüdung. Schlaf bekamen und die Kameraden wenig, Koffeintabletten machten die Runde - und Gerüchte, die junge Marinesoldatin, die 2008 auf einer Ausbildungsfahrt gestorben war, sei während der Wache eingeschlafen und von Bord gestürzt.

Meist nicht mal ein Dutzend unter rund 140 Kadetten sind Frauen. An „eindeutigen und übereindeutigen Angeboten" habe es wahrlich nicht gemangelt, sagt Maria, „manche Frauen haben das auch als bedrängend empfunden." Das Schiff sei in Offizieranwärterkreisen als „größter schwimmender Puff Deutschlands" verschrien.

Nach dem Tod der jungen Rekrutin im November regte sich Widerstand unter den Kadetten gegen die Schiffsführung, von „Meuterei" war die Rede. Die Rekruten wurden nach Hause geschickt, Schiffskommandant Norbert Schatz (52) abgesetzt.

Einige Ehemalige sind empört. In einem Internet-Forum von Ex-Gorch-Fock-Rekruten bekunden Anhänger Solidarität zu Schiff und Führung. Von den Klagen über Drill und Druck wollen sie nichts hören. Der Obergefreite Carsten schreibt, Lehrjahre seien eben keine Herrenjahre. Er spricht von „Stolz, zu einer Elitetruppe zu gehören".

Eine weibliche Mitstreiterin, Maat Iris, schimpft , die Gesellschaft werde einfach „zu weich und zudem kommen dann auch noch Petzen dazu". Die „Gorch Fock" sei schließlich „kein Waldorfdampfer".

Maria hält von alldem nichts. „Wenn ich einem angehenden Offizier beibringen will, wie sich ein Schiff, die Seefahrt und Härte auf See anfühlen, dann muss ich ihn nicht künstlich durch übertriebene Härte und Männlichkeitsgehabe an Grenzen führen.“

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.