Macron bleibt Präsident: Was sich die EU jetzt erhofft

Es war die Regionalzeitung "La Provence", die die Stimmung in Frankreich am Tag nach der Präsidentschaftswahl treffend zusammenfasste. "Ja, aber", titelte das Blatt über einem Bild von Emmanuel Macron. "Wiedergewählt, doch schon unter Druck", so urteilte die Zeitung "Le Parisien".
Trotz des klaren Siegs mit 58,5 Prozent der Stimmen kam sogar im Lager von Macron wenig Euphorie auf. Er selbst hatte am Sonntag noch eingeräumt, dass ihm bewusst sei, dass viele der 18,8 Millionen Französinnen und Franzosen, die für ihn gestimmt hatten, das nicht aus Überzeugung taten, sondern oft widerwillig - um Marine Le Pen zu verhindern. Diese unterlag zwar klar mit 41,5 Prozent, gewann aber im Verhältnis zu 2017 insgesamt 2,7 Millionen Stimmen dazu. Die Rechtsextreme selbst sprach am Wahlabend von einem "strahlenden Sieg".
Viele Enthaltungen bei Wahl in Frankreich
Zugleich enthielten sich 28 Prozent der 48,7 Millionen Wahlberechtigten und damit so viele wie seit 1969 nicht mehr. Rund drei Millionen Menschen gaben ungültige oder leere Stimmzettel ab. In der Nacht zum Montag kam es in mehreren Städten zu Protesten gegen Macron. Viele nehmen dem 44-Jährigen das Versprechen nicht ab, diese "neue Ära" werde die "kollektive Erfindung einer neuen Methode".
Dieser Wille, die Menschen nicht mehr so zu brüskieren wie bisher, dürfte sich schon bei Macrons nächsten Entscheidungen zeigen. Startete er seine Amtszeit 2017 mit einem Dekret zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes und einer weitgehenden Abschaffung der Reichensteuer, während er die Wohnbeihilfen für sozial Schwache kürzte, so plant er für diesen Sommer ein "Paket für die Kaufkraft". Auf dem Programm: ein Anstieg der Renten, der Grundsicherung sowie der Beamtengehälter und die Erhöhung einer steuerfreien Prämie, die Unternehmen an ihre Mitarbeiter auszahlen können. Auch ist davon auszugehen, dass die aktuelle Deckelung der Gas- und Strompreise verlängert wird.
Rente erst ab 65: Umstrittene Reform in Frankreich
Ab Herbst will Macron trotzdem seine umstrittene Rentenreform mit der schrittweisen Hinaufsetzung des Eintrittsalters von 62 auf 65 angehen - unter Absprache mit den Sozialpartnern, wie es heißt. Heftige Proteste dürften programmiert sein, wie es sie bereits 2019 gegeben hatte.

Bei der Umsetzung seiner Projekte wird es auch auf die Ergebnisse der Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni ankommen. Ob die Präsidenten-Partei "La République en marche" (LREM) erneut eine Mehrheit in der Nationalversammlung erhält, ist ungewiss. Sollte eine Oppositionspartei gewinnen, würde diese den Premierminister stellen und er müsste sich auf eine sogenannte Kohabitation einlassen.
Noch vor der Wahl sprach Macron von der Gründung einer "großen politischen Bewegung der Einheit und der Aktion". Doch das ist nicht unbedingt im Sinne der Bewegungen, die ihn zwar unterstützen, aber nicht geschluckt werden wollen, wie die neue Partei "Horizonte" von Macrons ehemaligem Premierminister, dem populären und einflussreichen Édouard Philippe. Die Verhandlungen zwischen den verschiedenen Akteuren, die sich leicht rechts der Mitte positionieren, haben begonnen.
Was machen die Konservativen in Frankreich?
Auch für die konservativen Republikaner stellt sich die Frage, ob sie auf Konfrontationskurs zur Macron-Partei LREM gehen, die ihnen programmatisch nahesteht oder sich auf Allianzen einlassen - unter der Gefahr, obsolet zu werden. Die republikanische Kandidatin Valérie Pécresse fuhr in der ersten Runde mit 4,8 Prozent der Stimmen ein historisch schlechtes Ergebnis ein.
"Die Schlacht der Parlamentswahlen beginnt heute", sagte Parteichef Christian Jacob am Sonntagabend. "Im Gegensatz zur Regierungspartei haben wir Abgeordnete, die lokal verankert sind und die ihre Wahlgebiete kennen." Mehrere Stimmen der Republikaner sprachen sich hingegen für eine Annäherung an LREM aus. "Ich denke, dass man in diesem extrem angespannten Kontext die Hand ausstrecken, sich zusammenschließen und öffnen muss", so Christelle Morançais, Präsidentin der Region Pays de la Loire und Wahlkampf-Sprecherin von Pécresse.
Zusammenschluss am linken und rechten Rand
Die Frage nach einem Zusammenschluss stellt sich auch bei Rechtsextremen und Linken. "Der nationale Block muss sich vereinigen", forderte der ultrarechte Éric Zemmour. Nachdem er Le Pens Partei Rassemblement National etliche Parteikader abspenstig gemacht und seine Konkurrentin scharf kritisiert hat, dürfte dies nicht einfach werden.
Seitens der Linken rief der Chef der Partei "Unbeugsames Frankreich", Jean-Luc Mélenchon, die Wähler dazu auf, ihn bei den Parlamentswahlen zum Regierungschef Macrons zu machen. Vor allem die Grünen, aber auch die Sozialisten müssen entscheiden, ob sie einzeln antreten oder eine Linie mit Mélenchons Partei suchen, um eine große Oppositionskraft gegen Macron zu bilden.