Luftangriff bei Kundus: SPD greift Guttenberg an
Berlin (dpa) - Die SPD hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach dessen Äußerungen zum Luftangriff bei Kundus vor einem Strategiewechsel in Afghanistan gewarnt.
«Wenn er glaubt, in Afghanistan ist der Abwurf von schweren Bomben auf große Menschenmassen zu rechtfertigen, dann kann die Sozialdemokratie da nicht mehr mitgehen», sagte der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold dem «Tagesspiegel». «Das ist nicht gerechtfertigt und nicht angemessen.»
Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, warnte vor Konsequenzen für die Soldaten, sollte es gegen den für das Bombardement verantwortlichen Kommandeur ein Verfahren geben.
Guttenberg forderte nach dem Luftangriff mehr Rechtssicherheit für die Soldaten. Besonders die Verfahren bei so komplexen Situationen seien nicht immer eindeutig, sagte der Minister der «Süddeutschen Zeitung». «Hier muss zwingend nachgeschärft werden, dass solche Zweifel nicht entstehen, gerade wenn Entscheidungen unter Zeitdruck fallen müssen.» Nach dem von dem Oberst Georg Klein angeordneten Angriff auf zwei von Taliban gekaperte Tanklastwagen bei Kundus hatte am Freitag die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Bei dem von US-Kampfjets ausgeführten Angriff waren am 4. September einem NATO-Bericht zufolge bis zu 142 Menschen gestorben.
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, sagte, die Regierung wolle in Potsdam rasch eine zentrale Gerichtsbarkeit für die Bundeswehrsoldaten aufbauen. «Das Verfahren wegen des Luftschlags belegt, dass die deutsche Justiz schlecht aufgestellt ist», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung». «Die deutschen Soldaten erwarten völlig zu Recht, dass Richter und Staatsanwälte mit hinlänglichem Spezialwissen die Vorwürfe beurteilen.» Es sei ein Stück aus dem Tollhaus, dass der Ort der Heimatkaserne bisher den zuständigen Staatsanwalt festlege.
Guttenberg verteidigte erneut den für den Befehl zum Luftschlag verantwortlichen Oberst. «Aus militärischer Sicht war seine Handlungsweise angemessen», betonte Guttenberg. Es habe aber auch Fehler gegeben. «Die Verfahrensfehler haben keinen Einfluss auf die Frage, ob es mandats- und völkerrechtlich legitimiert war, was er gemacht hat. Nach unserer Einschätzung war das klar der Fall. Zivil- und strafrechtliche Fragen habe ich nicht zu beurteilen.»
Guttenberg hatte zuvor Regelverstöße Kleins bei dem Bombardement der Tanklastwagen zugegeben, den Angriff aber als «militärisch angemessen» verteidigt. Der CSU-Minister werfe mit dieser Argumentation eine «grundsätzliche strategische Fragestellung» auf, betonte Arnold. Auch der Grünen-Wehrexperte Omri Nouripour kritisierte die Rechtfertigung. So erfreulich es sei, dass Guttenberg jetzt Fehler und zivile Opfer zugebe, so wenig dürfe es zur Bagatelle erklärt werden, dass Regeln nicht eingehalten wurden. «Das würde ja bedeuten, dass die Regeln unwichtig sind», sagte Nouripour.
Ein mögliches Strafverfahren hätte für die Bundeswehr katastrophale Folgen, sagte der frühere Generalinspekteur Kujat, der «Frankfurter Rundschau». Denn jeder Offizier werde sich überlegen, «ob er unter diesen Bedingungen noch Führungsverantwortung übernimmt». Er kritisierte zudem den Umgang mit Oberst Georg Klein. Das sei ein «einziger Sklandal». «Da wird der Name des Betroffenen durch die Presse gezogen, seine Familie und er werden einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt», sagte der 67- Jährige. «Es wird im Detail diskutiert, von kompetenten und weniger kompetenten Leuten, was er richtig oder falsch gemacht hat.»
Der frühere UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, kritisierte unterdessen das Vorgehen von Klein. «Die Lage verlangte nicht nach einem Akt der Selbstverteidigung», sagte der jetzige Grünen-Bundestagsabgeordnete der «Mitteldeutschen Zeitung». Klein habe genug Zeit gehabt, um die Situation anders zu lösen. Man hätte zivile Opfer vermeiden können, meinte Koenigs.