Interview

LMU-Experte aus München warnt nach "desaströsem" TV-Duell in den USA: "Biden braucht einen Gamechanger"

Ein LMU-Experte aus München ist sich sicher: Ein fitter Kandidat hätte Donald Trump beim ersten TV-Duell zur Präsidentschaftswahl Paroli bieten können.
Alexander Spöri
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In der Nacht von Freitag auf Samstag fand das erste Wahlduell in den USA statt. Der Gewinner ist laut einer CNN-Umfrage Joe Bidens Vorgänger Donald Trump (links).
In der Nacht von Freitag auf Samstag fand das erste Wahlduell in den USA statt. Der Gewinner ist laut einer CNN-Umfrage Joe Bidens Vorgänger Donald Trump (links). © IMAGO/Adrien Fillon (www.imago-images.de)

München – Es ist das früheste TV-Duell zur Präsidentschaftswahl seit 60 Jahren gewesen. Eigentlich stimmen die US-Bürger erst am 5. November ab. Außerdem sind aktuell noch gar keine offiziellen Kandidaten nominiert – trotzdem stritten sich in Atlanta der amtierende US-Präsident Joe Biden und sein Vorgänger Donald J. Trump vor Millionen von Zuschauern live auf CNN. Die AZ hat mit einem USA-Experten aus München über das Duell gesprochen.

Fehlende Inhalte und ein schwacher Joe Biden: "Eines der dürftigsten TV-Duelle" aller Zeiten

AZ: Herr Hochgeschwender, wie haben Sie das TV-Wahlduell zwischen Donald Trump und Joe Biden erlebt?

MICHAEL HOCHGESCHWENDER: Ich habe schon viele Präsidentschaftsduelle gesehen, aber das war inhaltlich wirklich eines der dürftigsten. Trump hat viele Angriffsflächen geboten. Er war nicht gut drauf, aber Biden war eben noch schlechter drauf – insofern konnte der Präsident die offenen Flanken, die Trump ihm unter anderem durch das Verbreiten von Fehlinformationen regelrecht angeboten hat, nicht nutzen. Das fand ich sehr erschreckend. Es ist kein Zufall, dass noch während der Debatte die Diskussion in der Demokratischen Partei losging, ob Biden überhaupt der richtige Kandidat sei. Man fragt sich, ob es in den USA nicht zwei bessere Politiker gibt.

Michael Hochgeschwender ist Historiker vom Amerika-Institut an der LMU und forscht zum politischen Geschehen in den USA. In den letzten Jahrzehnten hat er zahlreiche TV-Duelle verfolgt.
Michael Hochgeschwender ist Historiker vom Amerika-Institut an der LMU und forscht zum politischen Geschehen in den USA. In den letzten Jahrzehnten hat er zahlreiche TV-Duelle verfolgt. © LMU/privat

Was hätte Biden anders machen müssen?

Dass er Fakten und Zahlen nicht gleich parat hat, wenn man keinen Zettel vor sich hat, das verstehe ich. Man weiß auch, dass Biden mit dem Reden Probleme hat. Der Politiker hat viel gestottert und das war deutlicher zu sehen als bei der letzten Präsidentschaftsdebatte. Grundsätzlich hätte Biden viel schlagfertiger antworten müssen.

Biden verhaspelte sich immer wieder – Hätte ein fitterer Kandidat eine Chance gehabt?

Inwiefern?

Mich irritiert, dass Trump die Welt zeichnen konnte, die er immer zeichnet: Wenn er nicht regiert, ist alles ganz schlecht und wenn er an die Regierung kommt, wird alles toll. Darauf ist Biden nicht richtig eingestiegen. Er wurde nur dann etwas wacher, wenn er sich persönlich beleidigt oder angegriffen fühlte, wenn es zum Beispiel um seinen Sohn gegangen ist. Dann wurde er angriffslustiger, verhaspelte sich aber immer wieder. Ich glaube, jemand, der fitter ist, hätte die Chance gehabt, Trump in die Ecke zu drängen.

Die Videoschnipsel von Bidens Aussetzern werden im Internet stark verbreitet. Welche Rolle wird das TV-Duell in den nächsten Wochen spielen?

Auf der Ebene der Gesamtwählerschaft wird es wohl keine Folgen haben. Die Präsidentschaftsduelle sind in den letzten Jahren arg ritualisiert worden. Viele Amerikaner haben sich ihr Urteil im Grunde genommen aber schon gebildet. Es gibt laut Umfragen 25 bis 27 Prozent, die keinen der beiden Kandidaten wählen wollen. Eine andere Frage ist, welche Auswirkungen das Duell in den Key Swing States (keiner Partei eindeutig zurechenbare Staaten, d. Red.) hat. Da können wenige Stimmen entscheiden, und dort liegt Biden momentan in fast allen Staaten hinter Trump. Biden hätte wirklich einen Gamechanger gebraucht, um unter anderem in Michigan und Ohio aufzuholen.

Denken Sie, dass die Demokraten noch einen weiteren Kandidaten ins Spiel bringen werden?

Die Frage ist, wen. Zum einen hat Biden die Entscheidungsgewalt – er hat die Vorwahlen überragend gewonnen. Die Delegierten des Parteitags sind auf ihn verpflichtet. Biden ist also der Einzige, der sagen kann, dass er es nicht macht.

"Das ist erschreckend": Demokratischer Partei fehlt es an guten Kandidaten

Dann ist die Frage: Wen gibt es noch?

Immer wieder wird Kamala Harris ins Spiel gebracht – entweder als Kandidatin oder als verstärkt im Wahlkampf auftretende Person, weil sie eben deutlich jünger ist. Sie hat ein sehr gutes Interview nach der Debatte gegeben, in dem sie Biden intensiv verteidigt. Aber Harris ist nicht sehr beliebt und als Vizepräsidentin hat sie sich nicht mit Ruhm bekleckert. Darüber hinaus hat eine Abgeordnete auch Gretchen Whitmer aus Michigan hervorgehoben – die ist aber national keine Berühmtheit. Man sieht: Die Demokraten haben wenig gute Kandidaten. Für eine so große Partei ist das erschreckend.

Müssten die Demokraten dann nicht gerade jetzt im Wahlkampf mehr Einigkeit zeigen?

Das ist das Hauptproblem. Es gibt zwei strategische Möglichkeiten. Entweder man führt eine heftige Debatte und versucht über den inneren Kreis von Bidens Apparat — sei das seine Ehefrau oder seine engsten Berater – ihm den Rücktritt nahezulegen. Oder man sagt: Wir schließen unsere Reihen und warten mal ab, ob das Ergebnis in einer Woche so katastrophal ist, wie es bei der TV-Debatte gewirkt hat. Wenn nicht, dann setzen wir weiter auf Biden. Er hat eine gewisse Basis – in der Black Community genießt der Präsident hohe Zustimmung.

Mit Blick auf das zweite TV-Duell im September: Hätte Biden einfach absagen sollen?

Wenn sich ein Präsident vor einem Duell drückt, demonstriert er keine Führungsstärke. Einen Einzelauftritt bei CNN hätten viele als Heimspiel gesehen. Das hätte Biden also auch nichts gebracht. Er musste teilnehmen – aber der Auftritt hätte weniger desaströs ausfallen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hochgeschwender.

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  • Witwe Bolte am 28.06.2024 19:26 Uhr / Bewertung:

    Ein guter Tag für alle Trump-Fans.
    Unverständlich, warum Mrs. Biden ihren Gatten nicht schon vor Monaten zum Verzicht auf eine 2. Amtszeit überreden konnte. Der Mann wirkt sehr senil. Er klebt an der Macht, dass es mehr als peinlich ist.
    Vielleicht hat er eine Demenz im Anfangsstadium.

  • AufmerksamerBürger am 28.06.2024 19:11 Uhr / Bewertung:

    Da hilft alles Schönreden der deutschen Grünen Presse nichts, Trump ist besser und auch deshalb verhasst, weil er der einzige Präsident seit 75 Jahren ist, der keinen Krieg angezettelt hat!

  • Der wahre tscharlie am 29.06.2024 17:52 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von AufmerksamerBürger

    "Trump ist besser und auch deshalb verhasst,"
    Niemand hasst Trump. ( Das gleiche Wort hat übrigens Bongo in einem Kommentar eines Söder-Artikel an mich gerichtet benutzt.)

    Aber mal ganz ehrlich. Kann man jemand hassen, der lt. Zählung der "Washington Post" in seiner Amtszeit 30 573 falsche und irreführenden Aussagen getätigt hat?
    Der in dem TV-Duell schon wieder Falschaussagen brachte?
    Kann man jemand hassen, der weiterhin von einer gestohlenen Wahl redet?
    Kann man jemand hassen, der Belgien für eine wunderschöne Stadt hält?
    So jemand verdient doch Mitleid.

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