Lissabon: Verfassungsgericht für Zuspitzung der Krise verantwortlich
Portugals Mittel-Rechts-Regierung hat das Verfassungsgericht des Landes für eine Zuspitzung der Finanzkrise verantwortlich gemacht. Die Richter hatten mehrere Sparbeschlüsse im Haushalt 2013 für verfassungswidrig erklärt.
Lissabon - Die Regierung sei mit dem Urteil des Gerichts nicht einverstanden, sagte Regierungssprecher Luís Marques Guedes in der Nacht zum Sonntag nach einer Krisensitzung des Kabinetts von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho.
"Wir respektieren die Einscheidung des Tribunals, aber wir müssen die Portugiesen auch vor den negativen Folgen warnen, die das Urteil für das Land haben wird." Portugal verliere durch das Veto der Richter gegen Teile des Sparpakets im Ausland wieder das Vertrauen, das das Land bei den Anlegern und Investoren mühsam zurückgewonnen habe.
Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva sprach sich trotz der Zuspitzung der Finanzkrise in seinem Land gegen eine Ablösung der Regierung und gegen Neuwahlen aus. "Die Voraussetzungen sind gegeben, dass die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleibt", sagte der Staatschef in der Nacht zum Sonntag nach einem Krisentreffen mit dem Ministerpräsidenten. Passos Coelho hatte nach einem Urteil des Verfassungsgerichts um eine Audienz beim Präsidenten gebeten. Er kündigte für Sonntagabend eine Erklärung zur Lage in den Euro-Krisenland an.
Das Verfassungsgericht hatte nach mehr als dreimonatigen Beratungen entschieden, dass insgesamt vier Sparbeschlüsse im Budget 2013 verfassungswidrig seien. Das Urteil verschärfte die Lage in dem Euro-Krisenland, das sich bei der EU zu einem harten Sparkurs verpflichtet hat. Das Gericht erklärte am Freitagabend unter anderem die Kürzungen von Urlaubsgeldern für Beamte, Angestellte des öffentlichen Diensts und für Rentner sowie Einschnitte bei der Arbeitslosenhilfe und beim Krankengeld für verfassungswidrig.
Eine Reihe anderer Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen wurden von den Richtern gebilligt. Das Teil-Veto bedeutet nach Berechnungen portugiesischer Medien, dass sich im Staatshaushalt eine Deckungslücke von etwa 1,3 Milliarden Euro auftut. Die konservativ-liberale Regierungspartei PSD äußerte sich "sehr besorgt". "Wir haben praktisch keinen Handlungsspielraum", sagte die PSD-Politikerin Teresa Leal Coelho. Der sozialistische Oppositionsführer António José Seguro verlangte den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen.
Gegen die Sparbeschlüsse hatten nicht nur die Linksparteien der Opposition geklagt, sondern auch Cavaco Silva, der ebenso wie der Regierungschef der PSD angehört. Der Staatschef hatte seine Klage damit begründet, dass der Haushalt "berechtigte Zweifel an der Gerechtigkeit bei der Verteilung der Opfer" wecke.
Portugal hatte 2011 von der "Troika" aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) ein 78-Milliarden-Euro-Hilfspaket erhalten. Im Gegenzug musste das ärmste Land in Westeuropa sich bei den Geldgebern zu einer drastischen Sparpolitik verpflichten, um das Haushaltsdefizit abzubauen und die Staatsfinanzen zu sanieren.