Linken-Politikerin wechselt zur SPD

Die EU-Abgeordnete und Realo-Linke Sylvia-Yvonne Kaufmann ist frustriert von der "Fundamentalopposition" ihrer Partei zu Europa. Jetzt hat sie die Konsequenzen gezogen.
BERLIN Schlag für die Linke: Sylvia-Yvonne Kaufmann, eine der profiliertesten Europapolitikerinnen der Partei, wechselt in die SPD. Triumphierend präsentierte SPD-Chef Franz Müntefering die 54-Jährige am Donnerstag in Berlin. "Die Linke ist zu einem Haufen von Sektierern verkommen", sagte Kaufmann. Als überzeugte Europäerin wolle sie "nicht länger für die europapolitische Geisterfahrt der Partei" geradestehen. "Mit Verbalradikalismus und Fundamentalopposition ist die Globalisierung nicht zu bewältigen."
Kaufmann sitzt seit 1997 im Europäischen Parlament, war von 2004 bis 2007 sogar Vizepräsidentin. Sie gilt innerhalb der Partei als europafreundliche Pragmatikerin – und ist gerade deshalb bei der Listenaufstellung zur Europawahl durchgefallen. Kaufmann hat sich unter anderem für den Lissabon-Vertrag stark gemacht. Die Linke lehnt den Vertrag ab.
"Schlag ins Kontor für die Linke"
Bereits 2006 war Kaufmann in ihrer Partei unter Beschuss geraten. Das EU-Parlament hatte damals eine Resolution verabschiedet, in der Kuba Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden. Kaufmann enthielt sich der Stimme, statt gegen die Resolution zu votieren. Für einige Genossen hatte Kaufmann, die schon 1976 in die SED eingetreten war, damit "die kubanische Revolution verraten".
"Das ist ein Schlag ins Kontor für die Linken", sagt Eckhard Jesse, Linkspartei-Experte an der TU Chemnitz. "Bei Frau Kaufmann offenbart sich das Grundproblem der Partei: Sie ist im EU-Parlament vertreten, aber eigentlich europaskeptisch, wenn nicht europafeindlich. Das ist ein Glaubwürdigkeits-Spagat, den die Linke nicht schafft."
Bei der Linken selbst bemüht man sich, den Ball flach zu halten. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sagt zur AZ: "Ich persönlich bedauere ihren Schritt sehr, weil wir viele Jahre gemeinsam um eine demokratisch-sozialistische Partei gekämpft haben."
"Das ist kein Zeichen von Souveränität"
Bartsch hält ihren Eintritt in die SPD für "begrenzt glaubwürdig": "Auf dem Europaparteitag hat sie noch dafür gekämpft, auf die Liste zu kommen. Sie hat erst auf Platz sieben kandidiert, dann auf Platz neun und dann auf Platz 13. Sie wäre also mit uns in den Wahlkampf gezogen. Nun ist sie nicht gewählt worden, und lässt sie sich von der SPD auf einer Pressekonferenz vorführen. Das ist kein Zeichen von Souveränität."
Über sinkende Mitgliederzahlen, wie die SPD, könne sich die Linke jedenfalls nicht beschweren. Und was ist mit ihrem Sektierer-Vorwurf? Bartsch: "Ich übersehe überhaupt nicht, dass es in dem ein oder anderen Landesverband problematische Tendenzen gibt."
Annette Zoch