Liefert er oder ist er geliefert?

FDP-Chef Philipp Rösler schreibt gerade an der wohl wichtigsten Rede seiner Karriere. Es geht um seine politische Existenz – und die seiner demoralisierten Partei.
von  tan

FDP-Chef Philipp Rösler schreibt gerade an der wohl wichtigsten Rede seiner Karriere. Es geht um seine politische Existenz – und die seiner demoralisierten Partei.

Richtig zu beneiden ist Philipp Rösler gerade nicht. Seit Weihnachten hat sich der FDP-Chef in sein Haus in Hannover zurückgezogen, um an seiner Rede zu schreiben. Die wohl wichtigste Rede seiner Karriere. Den großen Auftritt beim Dreikönigstreffen. An Parteifreunde, die immens hohe Erwartungen aufbauen:

Sie wollen endlich ein Signal der Hoffnung, eine Idee, wie es weitergehen kann, den großen Wurf, der die demoralisierte Partei aufrichtet. Das rhetorische Talent hätte er, sagen viele in der Partei. Aber sie fragen sich, ob der freundliche junge Mann dem Druck gewachsen ist. Und andere lauern schon: Mit Fraktionschef Rainer Brüderle kann es zum Fernduell kommen.


Bis 6. Januar will Rösler keine Interviews geben. In der FDP heißt es, er feile an einem neuen Slogan, der griffig auf die Existenzberechtigung der Partei abziele. Das kann auch nach hinten losgehen: ein Vorsitzender, der die Frage stellt, warum es seine Partei überhaupt noch braucht. Das sollte man nur tun, wenn man sicher ist, darauf eine überzeugende Antwort geben zu können. Und ihm hängt immer noch der großspurige und uneingelöste Spruch von seinem Amtsantritt im Mai nach: „Ab heute wird die FDP liefern.”


„Herr Rösler, liefern Sie endlich”, klagen frustrierte FDP-Mitglieder. 5000 sind 2011 ausgetreten. Eine Wahl nach der anderen verloren, die Umfragewerte sogar noch schlechter als in der Endphase Westerwelle. Die Boygroup ist im Dezember auseinandergebrochen, als Christian Lindner hinwarf. Ein Generalsekretär, der nicht mehr an seinen Parteichef glaubt, der verkorkste Mitgliederentscheid – an der Basis herrschen Bitterkeit und Wut. „Der Lächerlichkeitsgrad der FDP ist unglaublich”, so Sachsens Landeschef Holger Zastrow.

Der neue General ist "stramm konservativ"


Wenn er politisch überleben will, muss Rösler diese Stimmung drehen. Helfen soll ihm dabei der neue Generalsekretär Patrick Döring. Der 38-Jährige ist zwar zwei Monate jünger als sein Parteichef, wirkt aber solider als die bisherige Boygroup um die Anfangdreißiger Lindner und Gesundheitsminister Daniel Bahr. Vor allem verspricht der 110-Kilo-Mann eines: Attacke. Döring ist das Kontrastprogramm zu Lindners feinsinnigen, leicht sozialliberalen Avancen.

Der Mann aus Hannover (ja, schon wieder einer) ist definitiv konservativ, „stramm konservativ”, fürchtet der Bürgerrechtsflügel der Partei. Döring gibt sich bisher gemäßigt: Er teile alle Überzeugungen von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger voll und ganz. Aber er macht auch klar: Er will die FDP rechts von der Union positionieren, jedenfalls auf den Gebieten Steuern, Sozialstaat, Finanzen. CDU und CSU seien ja mittlerweile genauso links wie die SPD, findet er – und ging gestern gleichmal CSU-Chef Horst Seehofer wegen dessen Kritik an der Rente mit 67 an.

Für Döring ist der zweite große Auftritt an Dreikönig reserviert. Einen weiteren soll es nicht geben – trotz der seit Tagen tobenden Debatte, ob nicht auch Fraktionschef Rainer Brüderle reden darf, den viele an der Basis mittlerweile für den eigentlich starken Mann halten. „Die FDP muss jetzt alles zeigen, was sie hat. Sie muss jetzt aus allen Rohren schießen”, so Patrick Kurth, General der FDP Thüringen – ein Affront gegen Rösler und Döring. „Kropfunnötig” sei diese Debatte, sagt Ex-Fraktionschefin und Schwertgosch Birgit Homburger. Brüderle werde am Tag vor Dreikönig, beim Landesparteitag der Südwest-FDP, reden.

Auch Westerwelle meldet sich wieder


Das hat er vor einem Jahr auch schon getan: Damals zog er unter dem Gejohle der Delegierten über Röslers Konzept des „mitfühlenden Liberalismus” als „Säuselliberalismus” her. Heuer werde er sich auf ein Grußwort beschränken, das sei so mit Rösler vereinbart, heißt es in der FDP-Zentrale. Aber auch Grußworte können Sprengstoff bergen – wenn Brüderle das Fernduell denn suchen will. Rösler hatte ihm beim Machtwechsel im Mai das Wirtschaftsministerium weggenommen.

Spätestens, wenn die Wahlen in Schleswig-Holstein verloren gehen, oder wenn es um die Abstimmung über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM im Frühjahr zur nächsten Krise kommt, könnte sich die Führungsfrage neu stellen.

Und noch einer, der bei Dreikönig nicht reden wird, kündigt seinen nächsten Auftritt schon an. Guido Westerwelle will beim Neujahrsempfang der NRW-FDP am 15. Januar nach Monaten der Abstinenz mal wieder eine große innenpolitische Rede halten. Philipp Rösler ist gerade nicht zu beneiden. 

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