Lieber schwach
Der Mann ist „hellwach und voller Zuversicht“. So redet man über einen Patienten, der einen Unfall überlebt hat. Ganz realistisch hat seine Sprecherin den Zustand von Norbert Röttgen beschrieben. Nur ist die Frage, ob das Unfallopfer die Kraft hat, politisch je wieder auf die Beine zu kommen. Einen geruhsamen Heilungs- oder Erholungsprozess wird es nicht geben. Nicht mal Zeit für Wundenlecken hat Norbert Röttgen.
Ausgerechnet der Mann, von dem sich die Wähler in Scharen abgewandt haben, soll das Generationenprojekt der Energiewende stemmen? Ein Ding der Unmöglichkeit. Die Kräfte seiner Gegner sind groß und noch gewachsen. Der FDP-Wirtschaftsminister blockiert die Gebäudesanierung, die alten Kraftwerksbetreiber wollen keine Konkurrenz, die Industrie will keine Kosten, und die Verbraucher wollen nicht sparen. In dieser Lage bekommt die Frage nach einem glaubwürdigen, tatkräftigen, kompetenten Minister für Energiewende neues Gewicht.
Statt aber die Gunst der Stunde zu nutzen, hält Bundeskanzlerin Angela Merkel an Röttgen fest. Merkel will lieber einen geschwächten Umweltminister als einen erfolgreichen, der ihr einst gefährlich werden könnte. Das Tricksereien und Finassieren verstärken einen Eindruck, als sei die Wende vielleicht doch nicht so wichtig, als sei ein Scheitern doch nicht so schlimm. Die Kanzlerin stellt Machtpolitik über Sachpolitik. Das ist unredlich, und es ist falsch.
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