Leutheusser-Schnarrenberger: Zurück an der Macht

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die bayerische FDP-Chefin und Vertreterin des Bürgerrechts-Flügels der Liberalen, spricht im AZ-Interview über die Rückkehr in Amt und Würden, die CSU und das Arbeiten mit Angela Merkel.
von  Abendzeitung
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. © dpa

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die bayerische FDP-Chefin und Vertreterin des Bürgerrechts-Flügels der Liberalen, spricht im AZ-Interview über die Rückkehr in Amt und Würden, die CSU und das Arbeiten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

AZ: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, nach vielen Jahren auf der harten Oppositionsbank sitzen Sie plötzlich wieder auf einem weichen Ministersessel. Ist das ein erhebendes Gefühl?

SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Für mich ist das ganz schnell ganz normal geworden. Ich habe zwar neue Räume bezogen, aber Regierungsverantwortung ist mir ja nun wirklich nicht fremd.

Wobei ja alles schon zwei Nummern größer ist als damals in Bonn, als sie Justizministerin unter Helmut Kohl waren.

Das Bundesjustizministerium in Berlin ist ein tolles Gebäude an einem historischen Standort. Wir haben die letzten Tage dauernd die gestammelten Worte von Herrn Schabowski gehört, der eine falsche Botschaft übermittelt hat. Das war genau an dem Standort, wo jetzt mein Ministerium ist, in Berlin-Mitte, am Gendarmenmarkt. Früher war hier das Presse- und Informationsamt der DDR. Jetzt ist es ein modernes Gebäude mit alter Fassade, schönem Innenhof und ganz toller Atmosphäre.

Und feschem Dienstwagen...

Wenn ich am Wochenende nach Hause fliege, holt mich in München jemand von unseren dortigen Behörden vom Flughafen ab. Patentamt und Patentgericht gehören ja zum Justizministerium. Es muss also nicht dauernd einer aus Berlin hin- und herfahren. Das spart, das ist günstig.

Wie läufts mit der Chefin, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Wir hatte bisher nur ganz kurz persönlichen Umgang. Es ist aber eine gute Atmosphäre, man arbeitet gut mit ihr zusammen im Kabinett.

Merkels Regierungserklärung fehlte einen knackige, wegweisende Überschrift. Oder haben Sie eine herausgehört?

Natürlich ging es um Wachstum als Weg aus der Krise. Und der Überbegriff war für mich Vertrauen: Wir wollen bei den Bürgern um Vertrauen werben für eine Politik, die die Notlagen erkennt, entsprechende Maßnahmen ergreift und keine Angst vor der Krise hat. Wir wollen Mut und Zuversicht vermitteln.

Willy Brandt sprach von „mehr Demokratie wagen“, Merkel redet vom „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“. Ist Politik technokratischer geworden?

Ein Bürokratiemonster wird mit dem eher knappen Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht geboren. Es ist vielmehr ein Beleg dafür, dass die Regierung bereits nach wenigen Tagen im Amt arbeitet. Ich habe auch die Kritik der Opposition nicht verstanden, dass das Kabinett bereits nächste Woche eine Klausurtagung macht. Wir müssen ja schnell einen Haushalt aufstellen.

Auf Frau Merkel haben gleich drei Oppositionsführer geantwortet: Steinmeier, Lafontaine und Trittin. Welchen davon fanden Sie am überzeugendsten?

Der Profi als Oppositionsredner ist mit Abstand Jürgen Trittin. So ist er in der Debatte auch aufgetreten. Für Steinmeier ist das noch eine neue, ungewohnte Rolle. Das hat man deutlich gemerkt. Manchmal schaute er aus dem Plenum zur Regierungsbank rüber. Ich kann das nachempfinden.

Die Bürgerrechte, aber auch Innen- und Justizpolitik generell hat Merkel in ihrer Rede sehr stiefmütterlich behandelt...

Ich denke, Frau Merkel wollte dem Innenminister und der Justizministerin das Feld überlassen, um einen Tag später in der Fachdebatte die Regierungspolitik zu skizzieren.

Sind Sie froh, dass Ihr alter Gegenspieler Wolfgang Schäuble nicht mehr Innenminister ist? Lässt sich mit Thomas de Maizière besser werkeln?

Das Themenfeld Freiheit und Sicherheit ist immer spannungsgeladen. Ich bin mir aber sicher, dass wir bei Datenschutz und Freiheit im Internet einiges gemeinsam hinbekommen können. Und mit neuen Personen an der Spitze der Ressorts gibt’s sicher die Chance für einen Neuanfang der Beziehung zwischen Innen- und Justizministerium.

Und Schäuble bleibt das rote Tuch der FDP – jetzt bremst er Sie als Finanzminister bei der Steuerreform aus.

Natürlich benennt er die Risiken und die schwierige Lage. Aber er bekennt sich auch klar dazu, dass er die Koalitionsvereinbarung umsetzen wird.

Aber für den Drei-Stufen-Tarif der FDP besteht doch nicht der Hauch einer Chance...

Im Koalitionsvertrag steht, dass wir einen Stufentarif einführen werden. Bewusst nicht, welche Stufen das in welcher Größenordnung sind. Darüber werden wir verhandeln.

Die FDP hat Rot-Grün gerne für deren „Kommissionitits“ kritisiert. Jetzt schieben Sie selbst alle möglichen Fragen in Kommissionen ab – von der Gesundheitsreform bis zum Rumdoktern am Steuersystem.

Gerade bei der Gesundheit geht es gar nicht anders. Da muss in Ruhe mit Experten der Weg raus aus dem derzeitigen System gefunden werden. Aber ich lege schon Wert darauf: Im Bereich Innen- und Rechtspolitik haben wir ziemlich konkret gesagt, was wir machen wollen – ohne großartig Kommissionen einzusetzen.

Beim Mietrecht allerdings gab's dieser Tage aber bereits große Aufgeregtheiten...

...auch bei Ihnen in der AZ.

In der Tat: Die Mieter zittern schon vor kürzeren Kündigungsfristen.

Man sollte nicht Aufregung erzeugen, ehe Eckpunkte für ein Gesetz vorliegen. Wir haben gesagt, dass wir die Kündigungsfristen für Mieter und Vermieter angleichen werden, aber noch gar nicht, wie lange die künftig sein werden und welche Sonderregelungen es geben wird. Ich lege hier Wert auf einen ganz breiten Diskurs mit allen Beteiligten. Die oberste Maxime ist: Das Mietrecht wird sozial bleiben. Keiner muss Angst haben, dass das Mietrecht entrümpelt wird.

Wie läuft's denn so mit der CSU? Sind die jetzt handzahmer geworden nach dem miesen Wahlergebnis?

Herr Seehofer macht ja schon seine Zurufe aus Bayern nach Berlin. Ich erwarte, dass die bayerische Staatsregierung das Wachstumsbeschleunigungsgesetz im Bundesrat tatkräftig unterstützt.

In der CSU gibt’s ein Grummeln darüber dass deren Minister alle in der zweiten Reihe der Regierungsbank sitzen. Sie sitzen in der ersten...

Das sollte man ad acta legen. Es geht doch nicht darum, in welcher Reihe ein Minister sitzt, sondern welche Aufgaben er hat. Und Herr Seehofer hat sich in den Verhandlungen mit Frau Merkel und Herrn Westerwelle sicher etwas dabei gedacht, die Themenfelder Verteidigung, Agrar und Verkehr mit Bayern zu besetzen.

Interview: Markus Jox

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