Leutheusser- Schnarrenberger: „Wir fallen nicht um“
MÜNCHEN - Sie kämpft für eine FDP, die mehr will, als nur Steuern zu senken: Beim AZ-Besuch sagt Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, warum sie regieren will
Eine Frage treibt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an diesem Morgen besonders um: „Ich würde zu gerne wissen, wer der Arzt von Karl-Theodor zu Guttenberg ist“, spöttelt Bayerns FDP-Chefin beim AZ-Redaktionsbesuch, der erstmals live im Internet übertragen wurde. „Zu dem kommt man morgens krank hin – und dann kann man drei Großveranstaltungen bestreiten.“
Grund für die Gift-Attacke: Der Wirtschaftsminister hatte tags zuvor krankheitsbedingt die Präsentation des umstrittenen CSU-Sofortprogramms sausen lassen, um wenige Stunden später Wahlkampf zu machen. „Für aufregende Zeiten in Berlin hätte ich auch gerne so einen Wunderheiler an der Hand“, lästert Leutheusser-Schnarrenberger.
Aufregend könnten die Berliner Zeiten in der Tat werden für die 58-Jährige, die unter Helmut Kohl schon einmal Justizministerin war und jetzt wieder als Top-Kandidatin für dieses Amt gilt – falls am Sonntag Schwarz-Gelb siegt. „Ich will die Wahl gewinnen und spekuliere nicht“, blockt sie freilich jede Frage nach ihrem künftigen Job ebenso routiniert ab wie die, ob Parteichef Guido Westerwelle weg vom Fenster sei, wenn die FDP wieder nicht regiert: „Nein, ist er nicht. Es gibt keinerlei Debatte um die Person Westerwelle in der Partei.“ Und überhaupt: „Opposition ist für mich kein Schreckgespenst.“
Noch am Wochenende hatte Schnarrenberger vergeblich dafür plädiert, die Koalitionsaussage zugunsten der Union etwas unverbindlicher zu formulieren – Westerwelle setzte die harte Linie durch – die auch die Linksliberale jetzt artig nach außen vertritt: „Ich sehe bei dieser Wahl keine Chance für eine Ampel, dafür ist der Boden nicht bereitet.“ Die Jamaika-Option wiederum hätten „die Grünen dichtgemacht“. Mit ihrer klaren Koalitionsaussage sei die FDP weit weg vom „Etikett der Umfallerpartei, die für Ministerposten alles tut“. Dieses „Stigma“ habe die Partei jahrzehntelang belastet.
Vorfestlegungen oder Bedingungen für Schwarz-Gelb lehnt die erfahrene Taktikerin ab. Eben erst hat CSU-Chef Horst Seehofer getönt, er werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nicht Steuersenkungen für 2011 und 2012 festgeschrieben sind. „Das bringt jetzt gar nichts“, sagt Schnarrenberger.
Natürlich sei der „Einstieg in Steuersenkungen irgendwann im Laufe der Legislaturperiode“ eine zentrale Forderung, aber das reiche nicht aus. Auch für die Aufhebung zentraler Freiheitseinschränkungen will die Frau kämpfen, die für die andere Seite der FDP steht – nicht für soziale Kälte, sondern für Bürgerrechte: „Ich vertrete einen ganzheitlichen Liberalismus“, sagt sie. Sie habe sich immer dagegen gewehrt, Wirtschaftsliberale und Bürgerrechtler gegeneinander auszuspielen. „Nur beides zusammen macht die FDP aus, sonst verkümmert sie.“Markus Jox