Leben, Tod und freier Wille
BERLIN - Ausgerechnet Politiker von CSU, SPD und Linke legen nun einen gemeinsamen Kompromiss zur Patientenverfügung vor, um einen jahrelangen schwierigen Streit zu lösen
In Würde sterben: Seit Jahren wird über einen Gesetzentwurf über Patientenverfügungen gestritten. Am heutigen Mittwoch nun stellt ein sehr ungewöhnliches Bündnis seinen Kompromissvorschlag vor, der die Lager endlich versöhnen soll: Wolfgang Zöller (CSU), Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Monika Knoche (Linke).
Es geht um heikle Fragen. Was gilt mehr: der Schutz des Lebens oder der Wille eines Menschen? Kann man als Gesunder wissen, was man als Kranker wirklich will? Wie strikt muss sich der Arzt dran halten? Zehn Millionen Bürger haben eine Patientenverfügung gemacht, in der sie festlegen, was mit ihnen passieren soll, wenn sie mal nicht mehr selbst entscheiden können – nach einem Unfall oder bei Demenz. Wie sie am Leben gehalten und in welchem Fall sie sterben wollen. Doch ein rechtlicher Rahmen fehlt.
Selbstbestimmung gegen Schutz des Lebens
Angesichts der schwierigen Gewissensfragen gehen die Fronten über alle Parteigrenzen hinweg: Der strengste Entwurf kommt von Wolfgang Bosbach (CDU) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Er betont den Schutz des Lebens und lässt eine Willenserklärung nur in engem Rahmen – bei absehbarem Tod – zu. Dagegen steht der Antrag des SPD-Mannes Joachim Stünker: Er billigt den Bürgern ein weitgehendes Selbstbestimmungsrecht zu.
Die Brücke für eine Lösung will der neue Vorschlag aus den Reihen von Union, SPD und Linker bauen, der heute vorgestellt wird. Er steht inhaltlich etwa in der Mitte der beiden Positionen. „Das ist mit Sicherheit ein Kompromissvorschlag“, so Monika Knoche (Linke) zur AZ.
"Wenigstens da funktioniert Parlament mal"
Er hat zum einen nicht die strikte Begrenzung auf den nahen Tod wie der Bosbach-Entwurf, zum anderen aber auch nicht den Automatismus des Stünker-Papiers, dass der einmal verfügte Wille umgesetzt werden muss – egal, ob es neue medizinische Entwicklungen gibt oder Zweifel, ob der Wunsch jetzt noch und für den konkreten Fall zutrifft. „Man kann es eben doch nicht immer wissen“, so Knoche.
Das Papier versteht sich als Angebot – und hofft, dass sich dahinter nun endlich eine Mehrheit findet. Dass es ausgerechnet vom CSU-Mann Zöller, der Ex-SPD-Justizministerin Däubler-Gmelin und einer Linken-Politiker angestoßen wurde, findet Knoche gar nicht so verwunderlich: „Wir haben schon bei anderen ethischen Fragen wie Transplantationsgesetz oder Stammzellen gut zusammengearbeitet. Man kennt und respektiert sich. Wenigstens da funktioniert Parlament mal.“
Was Sie beachten müssen, wenn Sie eine Verfügung machen
- Füllen Sie keine Standard-Vordrucke aus, sondern formulieren Sie so konkret wie möglich. Also nicht nur: „Ich will keine Apparatemedizin“, sondern legen Sie genau fest, welche Art von Behandlung bei welcher Art von Krankheit Sie persönlich ablehnen.
- Beraten Sie sich mit einem Experten, etwa Ihrem Hausarzt, über den Stand der medizinischen Möglichkeiten und ihre Auswirkungen.
- Aktualisieren Sie die Verfügung regelmäßig, möglichst alle zwei, spätestens alle fünf Jahre. Viele Ärzte halten sich nicht an sehr alte Verfügungen, weil sowohl die Medizin damals einen ganz anderen Stand hatte als auch Sie sich in einer ganz anderen Lebenslage befunden haben.
- Ernennen Sie einen persönlichen Bevollmächtigten, dem Sie völlig vertrauen und mit dem Sie gelegentlich über das Thema reden, damit er möglichst genau weiß, was Sie denken, und notfalls für Sie entscheiden kann, wenn ein Fall eintritt, den Sie so nicht vorhergesehen haben.
- Hilfreich ist die Broschüre „Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter“ vom bayerischen Justizministerium. Auf 56 Seiten kommen Experten aus Medizin, Recht, Pflege und Theologie zu Wort. Es gibt sie im Buchhandel für 3,70 Euro oder kostenlos zum Runterladen unter www.verwaltung.bayern.de
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