Lautstarke Proteste bei Wulffs Zapfenstreich

Ex-Präsident Wulff warb für eine tolerante Gesellschaft - seinem Zapfenstreich blieben viele fern. Draußen veranstalteten Hunderte ohrenbetäubenden Lärm
von  dpa

Abschied mit militärischen Ehren: Noch einmal wirbt Ex-Präsident Wulff für eine tolerante Gesellschaft. Dem Großen Zapfenstreich bleiben trotzdem viele fern. Und draußen vor dem Tor veranstalten einige hundert Wulff-Gegner ohrenbetäubenden Lärm.

Berlin  – Mit einem Großen Zapfenstreich hat sich der bisherige Bundespräsident Christian Wulff endgültig in den Ruhestand verabschiedet. Drei Wochen nach dem Rücktritt äußerte der 52-Jährige mam Donnerstagabend „Bedauern“ darüber, dass er seine Amtszeit nicht zu Ende bringen konnte. Auf die näheren Umstände ging er jedoch nicht ein. Auch der Abschied war überschattet von Protesten und Kritik. Viel politische Prominenz blieb der militärischen Zeremonie fern.

Auf dem Zapfenstreich – wie er zu Ehren von scheidenden Staatsoberhäuptern üblich ist – hatte Wulff bestanden. Während der Zeremonie im Garten des Präsidialamtes wirkte er sehr ernst. Auf persönlichen Wunsch des Ex-Präsidenten hatte die Bundeswehr vier Musikstücke im Programm, darunter auch die Europa-Hymne und den Song-Klassiker „Over the Rainbow“.

Vor dem Schloss machten einige hundert Wulff-Gegner ihrem Ärger mit Triller-Pfeifen und Vuvuzela-Tröten Luft. Der ohrenbetäubende Lärmwar auch im Garten des Präsidialamtes laut zu hören – solche Proteste gab es bei Politiker-Abschieden in der jüngeren Geschichte noch nie.

An der Zeremonie kamen zwar Bundesratspräsident Horst Seehofer (CSU) als amtierendes Staatsoberhaupt, Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehrere Minister teil. Von Wulffs vier noch lebenden Vorgängern war jedoch kein einziger dabei. Auch die Opposition fehlte praktisch komplett. Nach einer Umfrage für die Nachrichtenagentur dpa erwarten drei Viertel der Bundesbürger (73 Prozent), dass Wulff für immer der Politik fern bleibt.

Gegen den Ex-Präsidenten ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil er in seiner Zeit als niedersächsischer CDU-Ministerpräsident von einem befreundeten Unternehmer geldwerte Vorteile bekommen haben soll. Das war auch Auslöser für den Rücktritt. Kritik gibt es auch daran, dass Wulff trotz einer Amtszeit von nicht einmal 600 Tagen zeit seines Lebens pro Jahr annähernd 200 000 Euro „Ehrensold“ erhalten soll. Wulff ist der jüngste Ex-Präsident, den Deutschland je hatte.

Mit einiger Selbstironie sagte er in seiner vorab veröffentlichten Abschiedsrede: „Diesen Anlass hatte ich mir für das Jahr 2015 vorstellen können. Nun ist es anders gekommen.“ Seinem Nachfolger - vermutlich der DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck – wünschte er „eine glückliche Hand für Deutschland und breite Unterstützung“. Erneut warb er für Toleranz. „Vielfalt, Weltoffenheit, Freiheit und sozialer Ausgleich – das macht unser Land aus und stark.“

Ausdrücklich bedankte sich Wulff auch bei „allen Bürgerinnen und Bürgern in unserer so aktiven Bürgergesellschaft“. Seine Frau Bettina lobte er, sie habe Deutschland „auf großartige Weise überzeugend repräsentiert“. Zu seiner persönlichen Zukunft sagte er nur: „Ich gehe mit dem Gefühl der Neugier und der Vorfreude auf das, was kommt.“

Weiterhin Kritik gab es daran, dass der Ex-Präsident auf den Zapfenstreich nicht verzichten wollte. Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast warf ihm im „Hamburger Abendblatt“ vor, mit der militärischen Verabschiedung der Bundeswehr zu schaden. Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel empfahl Wulff im SWR, einen Teil des Ehrensolds für gemeinnützige Zwecke zu spenden und „vielleicht selber eine gemeinnützige Arbeit“ zu leisten.

Bayerns Ministerpräsident Seehofer als amtierendes Staatsoberhaupt lobte ihn hingegen dafür, dass er Deutschland „wichtige Impulse“ gegeben habe. Wörtlich sagte er: „Sie waren ein guter Vertreter des modernen Deutschlands.“ Der CDU-Politiker Peter Hintze nahm den Ex-Präsidenten im Deutschlandfunk ebenfalls in Schutz. Die Kritik sei „aus dem Verhältnis herausgeraten“.

Fast 80 Prozent der Bundesbürger wünschen sich jetzt eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa hervor. Völlig dagegen sind nur 4 Prozent. Nur 15 Prozent halten ein politisches Comeback des CDU-Politikers für möglich.

 

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