Langer Atem

Matthias Maus, AZ-Chefreporter, über zu viele Katastrophen auf einmal.
von  Matthias Maus

Der Kern ist geschmolzen. Strahlenwerte Millionenfach überhöht, Plutonium freigesetzt. An jedem anderen Tag wären diese Meldungen Sonderseiten wert, Programm-Unterbrechungen, Krisensitzungen. Und heute? Schafft es die größte Menschen-gemachte Katastrophe seit Jahrzehnten nur noch auf die hinteren Seiten – nicht nur bei der AZ. Was ist los? Nach dem GAU der Super-GAU – und doch stellt sich „Gewöhnung“ ein, „Abstumpfung“ klingt zu negativ.

Die Aufnahmefähigkeit des Menschen für katastrophale Nachrichten ist begrenzt, Eine fatale Eigenschaft bei einem Ereignis wie in Fukushima, dessen Ausmaß sich noch Monate, wenn nicht Jahre steigern kann. Und wir reden hier nicht mal von Halbwertszeiten der Mega-Gifte wie Plutonium. Trotzdem sollten wir kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir uns die Lebensfreude nicht total nehmen lassen durch Häufung schrecklichster Nachrichten.

Die Alternative wäre die „erlernte Hilflosigkeit“, die gefühlte Machtlosigkeit gegenüber überwältigende Bedrohung. Und das ist ein sicherer Weg in die Depression. Die Gewöhnung ist auch ein Überlebenswerkzeug, aus der Ruhe kann die nötige Nachdenklichkeit für Lösungen entstehen, wie wir mit dem realen Alptraum umgehen. Wir werden nicht daraus erwachen. Aber eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages können wir diese Krise bewältigen. Japan und die Welt wird dazu ein langen Atem brauchen.

 

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