Lang, länger, Lockdown

Berlin/München - Wenn am Montag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder sich wieder zur Corona-Konferenz zusammenzoomen, sollte eigentlich über weitere Öffnungsschritte beraten werden - zumindest hatten das die meisten Bürger erhofft. Doch die Vorzeichen mehren sich, dass es ganz anders kommen dürfte: Lockdown-Verlängerung statt Lockerungen.
Ursprünglich hatte der Stufenplan von Bund und Ländern Folgendes vorgesehen: Liegt die Zahl der Neuinfektionen in einer Region über einen Zeitraum von zwei Wochen stabil unter 50 pro 100 000 Einwohner, dürfen ab Montag unter anderem Theater, Konzert- und Opernhäuser wieder öffnen - genau wie die Außengastronomie.
Weitere Lockerungen oder Lockdown-Verlängerung?
Außerdem soll es Lockerungen beim Sport geben. Liegt die Inzidenz längerfristig zwischen 50 und 100, benötigt man für einen Besuch von Wirtsgarten oder Restaurant-Terrasse einen Termin. Außerdem ist ein tagesaktueller Covid-19-Test nötig, wenn sich mehrere Haushalte einen Tisch teilen, sowie für den Besuch von Theatern, Konzert- und Opernhäusern sowie Kinos. Dasselbe gilt für den Sport.
Doch nach all dem sieht es aktuell nicht aus. Die dritte Pandemie-Welle rollt durch Deutschland, der Richtwert steigt seit Tagen. Gestern Morgen meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) eine bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz von 86,2. Zum Vergleich: Vor etwa vier Wochen, am 17. Februar, hatte die Inzidenz noch bei 57 gelegen.
Besonders hoch ist der Wert aktuell im Kreis Greiz in Thüringen: Dort lag er gestern laut Erfurter Staatskanzlei bei 525,7. Jetzt gilt dort wieder eine Ausgangsbeschränkung.
Auch andernorts bremsen die Zahlen das öffentliche Leben aus: In Berlin und Brandenburg wird vorerst nicht weiter gelockert. Darauf haben sich der Senat und das Kabinett in Potsdam verständigt. Öffnungen der Außengastronomie und von weiteren Kultureinrichtungen werde es nicht geben, teilte die brandenburgische Staatskanzlei mit.
Gestern drohte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) Landkreisen, die bei einer anhaltenden 100er-Inzidenz nicht die "Notbremse" ziehen im ARD-"Morgenmagazin" zudem: "Ich erwarte, dass die Landräte ihre Verantwortung wahrnehmen. Wenn es nicht passiert, dann wird das Land handeln."
Bayern mit landesweiter Inzidenz von 93,37
Hintergrund ist, dass Bund und Länder beschlossen hatten, die Lockerungen müssten auf den Stand von Anfang März zurückgeschraubt werden, wenn diese Grenze gerissen wird - landesweit oder regional. Brandenburg hatte das aber nicht ganz so explizit in seine Verordnung geschrieben.
In Bayern meldete das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittel (LGL) am Mittwochmorgen eine landesweite Inzidenz von 93,37. Knapp ein Drittel der Bevölkerung ist bereits wieder von verschärften Maßnahmen wie nächtlicher Ausgangssperre, eingeschränktem Einzelhandel und Distanzunterricht an Schulen betroffen.
Ein Schicksal, das nun auch den Hamburgern bevorsteht: Dort stieg die Sieben-Tage-Inzidenz auf 100,9, wie die Gesundheitsbehörde mitteilte. Der Senat hat angekündigt, bei einem Überschreiten der 100er-Marke an mehr als drei aufeinanderfolgenden Tagen die "Notbremse" zu ziehen. Lockerungen etwa im Einzelhandel oder bei den Kontaktbeschränkungen würden dann wieder zurückgenommen.
Ostern eine Situation wie um Weihnachten?
"Wir werden kurz nach Ostern eine Situation haben wie um Weihnachten herum", warnt der Berliner Virologe Christian Drosten, vor allem mit Blick auf die ansteckenderen Corona-Varianten: Laut dem Charité-Experten macht die britische Mutation mittlerweile drei Viertel aller positiven Fälle aus.
Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) hat die auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) avisierten Lockerungen bereits infrage gestellt. Er erwäge, die Öffnung erstmal auszusetzen und am Montag zunächst zu besprechen, "was wir riskieren können", sagte er bei "Markus Lanz" im ZDF.
Deutlicher wurde sein sächsischer Kollege Michael Kretschmer (CDU). Er halte die Beschlüsse der MPK zu Lockerungen für gescheitert. "Es funktioniert nicht", sagte dieser in einer Videokonferenz mit Kommunalpolitikern. "Jetzt müssen wir versuchen, die Sache wieder einzufangen und vor die Lage zu kommen." Man bewege sich derzeit auf sehr dünnem Eis und könne bei jedem Schritt einbrechen. "Es ist nur deswegen noch nicht zum Ertrinken gekommen, weil wir noch nahe genug am Rand sind. Aber wir werden den Teich nicht durchschreiten können."