Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im Interview

Julia Klöckner (45, CDU) zieht in der AZ Lehren aus dem Dürre-Sommer und verteidigt Hilfen für Bauern. Von Burkinis hält die Ministerin nichts.
Interview: Bernhard Junginger |
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Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, spricht mit Metzger Hendrik Haase an dessen Stand in der Markthalle 9 in Berlin.
Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, spricht mit Metzger Hendrik Haase an dessen Stand in der Markthalle 9 in Berlin.

Die deutsche Weinkönigin von 1995 ist seit Februar Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft.

AZ: Frau Klöckner, nach gewaltigen Einbußen bei der Getreideernte durch die Dürre unterstützen Bund und Länder die Landwirte mit 340 Millionen Euro. Aber die Ernte ist noch nicht zu Ende. Sind weitere Hilfsprogramme geplant?
Julia Klöckner: Wir werden natürlich den weiteren Verlauf der Ernte genau beobachten, vor allem bei Zuckerrüben und Kartoffeln. Zahlen und Fakten sind wichtig, wir machen keine Zusagen nach Gefühl. Und auch den Wald haben wir im Blick, dort wirkt sich Trockenheit aber erst über einen langen Zeitraum aus. Nothilfe bekommen eben nur Betriebe, die in ihrer Existenz gefährdet sind.

Nach welchen Kriterien wird denn entschieden, ob ein Betrieb wirklich in seiner Existenz gefährdet ist?
Das müssen die Länder festlegen und sich dabei den Einzelfall genau ansehen. Denn es geht um Steuergelder, da macht man keine Gießkannenpolitik. Zunächst muss der Betrieb nachweisen, dass er wegen der Dürre deutlich weniger geerntet, es zu einer deutlichen Verringerung der Betriebserträge geführt hat, dann prüfen die Länder, ob die Familie sich mit eigenen Mitteln helfen kann oder der Einsatz von Steuermitteln zu verantworten ist. Wenn ein Landwirt noch Mietwohnungen besitzt oder wenn die Landwirtschaft nur Nebeneinkunft ist, dann sind keine Nothilfen angebracht.

Klöckner über das Risiko des Landwirts

Extreme Wetterereignisse werden durch den Klimawandel zunehmen, warnen Experten. Ernteausfälle könnten von der Ausnahme zur Regel werden. Soll dann immer der Staat einspringen?
Nein, die Landwirte werden in Zukunft auch selbst mehr Vorsorge treffen müssen. Eine Möglichkeit wären Versicherungen, aber bisher zögern die Anbieter noch, diese gegen Dürre oder Hochwasser anzubieten, weil die Risiken schwer kalkulierbar sind. Die Bundesregierung hat sich daneben für die Einführung der steuerlichen Tarifglättung entschieden, bei der Landwirte Gewinne und Verluste über drei aufeinanderfolgende Jahre bei der Steuer glätten und so die Progressionswirkung der Einkommensteuer abmildern können.

Gibt es so etwas wie eine Lehre aus diesem Dürre-Sommer?
Die Lehre ist ganz einfach und trotzdem ist sie jetzt für viele Verbraucher ein Aha-Erlebnis: Die Landwirtschaft ist vom Wetter abhängig und unsere Nahrungsmittel sind nicht selbstverständlich, auch wenn die Regale immer voll und Lebensmittel im Schnitt recht günstig sind. Cola gibt es zu jeder Jahreszeit. Doch wenn die Kuh durch die Hitze gestresst ist, gibt sie weniger Milch. Lebensmittel, unsere Mittel zum Leben, fallen nicht vom Himmel, und da muss schon ziemlich viel zusammenkommen, dass sie qualitativ hochwertig entstehen. Dazu gehört vor allem die Arbeit des Landwirts, der ein hohes Risiko auf sich nimmt. Er investiert in Saatgut, Maschinen, Energie und viel Arbeitskraft, und am Ende fällt dann wegen des Wetters die Ernte aus. Das wird uns Verbraucher oft erst in solchen Extremsituationen wie dieses Jahr richtig bewusst.

In der Diskussion um Staatshilfen wurde auch viel Kritik an der Landwirtschaft laut, dass etwa Massentierhaltung und der intensive Pflanzenbau zum Klimawandel beitragen.
Da wurde vieles in einen Topf geworfen, da wurden Landwirte gegeneinander ausgespielt. Wenn so mancher den Bauern vorwirft, sie seien die Schuldigen an der Situation und würden nun vom Staat auch noch dafür belohnt, ist das nicht anständig. Die Landwirtschaft ist nur zu sieben Prozent am Ausstoß von Klimagasen beteiligt. Es ist schlicht Unfug zu behaupten, dass es keinen Klimawandel geben würde, wenn alle Betriebe andere Kulturen anbauen oder weniger Dünger einsetzen würden. Bei der Hilfe für die Landwirte geht es ja auch um die Interessen der ganzen Bevölkerung. Darum, dass sich ganze Landstriche nicht verändern, dass es weiter regionale Produkte gibt. Wenn die Höfe zumachen, essen wir ja nicht weniger, aber das wird dann importiert. Und wir wissen oft nicht, unter welchen Bedingungen diese Lebensmittel produziert werden. Der ökologische Fußabdruck wird dadurch nicht besser.

Klöckner sieht sich nicht "als Geschmacks-Nanny der Nation"

Wird sich mit Blick auf den Klimawandel unser Ernährungsverhalten ändern müssen?
ch sehe mich weder als Erziehungsberechtigte der Verbraucher noch als Geschmacks-Nanny der Nation. Und Verbotsdiskussionen bringen uns sicher nicht weiter. Jeder muss selbst entscheiden, wie er sich ernährt, ob er vegan oder vegetarisch lebt, ob er Fleisch isst und wie viel davon. Aber die gesunde, ausgewogene und nachhaltige Wahl muss zu einer leichteren Wahl werden. Besseres Verständnis bei der Kennzeichnung und Transparenz, Verbraucherschulungen und -informationen spielen eine große Rolle. Wir geben Empfehlungen heraus, wie sich Menschen jeden Alters gesund ernähren können.

In Schwimmbädern kommt es zum Streit um den Burkini. Gleichzeitig wird beklagt, dass viele Mädchen aus Einwandererfamilien nicht schwimmen können, weil die Eltern sie gar nicht am Schwimmunterricht teilnehmen lassen.
Welches Frauenbild steckt denn dahinter? Die anständige Frau hat ihren Körper zu bedecken, weil der Frauenkörper anstößig ist, und Männer sich angeblich nicht im Griff hätten. Das hat weder etwas mit Gleichberechtigung noch mit Aufklärung zu tun. Wenn die Ehre einer ganzen Familie von der Sexualität der Schwester oder Tochter abhängt, dann gibt es nur eine Person, die den Preis dafür zahlt: das Mädchen oder die Frau. Wenn ein Mädchen nicht oder nur im Burkini am Schwimmunterricht teilnehmen darf, dann hat das mit unserem Verständnis von Gleichberechtigung nichts zu tun. Hier muss der Staat klar sagen, welche Standards nicht verhandelbar bei uns sind. Und dass es darauf keinen religiösen oder kulturellen Rabatt geben kann.

Sind Sie für ein Burkini-Verbot?
In der Schule ja. Darum bin ich dagegen, dass schon kleine Mädchen in der Schule Kopftuch tragen. Das bedeutet, dass schon Sechsjährige sexualisiert werden und ihnen beigebracht wird, dass sie sich aufgrund ihres Geschlechtes dem Mann unterordnen müssen. Wir leben im Jahr 2018, in Deutschland. An der Rolle der Frau wird sich zeigen, ob Integration gelingen wird.

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