Kommentar

Kurz zieht sich zurück: Mehr Inhalte, weniger Wunderwuzzi

AZ-Redakteur Stephan Kabosch über den Rückzug von Österreichs Altkanzler Sebastian Kurz.
von  Stephan Kabosch

Österreichs jüngster Altkanzler ist seit Donnerstag auch dessen aktuellster Ex-Politiker. Sebastian Kurz ist gescheitert. Verantwortlich dafür ist nicht etwa eine Jagd auf ihn, von der Kurz bei seinem öffentlichen Abschied sprach und dabei als Jäger wohl die unabhängige Justiz und den ihm nicht hörigen (Groß-)Teil der Medien sah.

Nein, gescheitert ist Kurz an sich selbst, an seiner Hybris, letztlich auch an seinen Fehleinschätzungen. Zehn Jahre liegen zwischen dem kometenhaften Aufstieg und dem tiefen Fall dieses im In- und Ausland gefeierten politischen Ausnahmetalents.

Ob sich Kurz der Korruption schuldig gemacht hat, bleibt Gegenstand eines Strafverfahrens

Der Preis für seinen Weg an die Macht und ins Kanzleramt waren ein ganz und gar auf die Person Kurz zugeschnittenes System, ein bedingungslos loyales Netzwerk, eine Teilentmündigung von Bundesländern und Parteibünden, eine Medienpolitik des "Message Control" und ausländerfeindliche Politikinhalte. Ob sich Kurz der Korruption schuldig gemacht hat, bleibt Gegenstand eines Strafverfahrens.

Der entlarvte Meister der Selbstinszenierung ist zum politischen Opfer seiner Selbstzerstörung geworden. Dahinter verbirgt sich nicht nur das persönliche Schicksal des Jungvaters. Vordergründig und viel mehr geht es um das Land. Kurz war angetreten mit dem Versprechen, Stillstand und Verkrustungen nach Jahrzehnten der Großen Koalition aus SPÖ und ÖVP zu lösen.

Österreich braucht wieder mehr Inhalte und Stabilität

Das ist ihm jedenfalls anfänglich und zum Teil auch gelungen. Doch vieles von dem, was Kurz an der alten Politik zu ändern versprochen hatte, ist längst wieder da: die speziell österreichische Freunderlwirtschaft, die unkritische Nähe zwischen der Regierung und ausgewählten Medien, zwischen Politik und Wirtschaft. Auch das hat zu Spaltungen in der Gesellschaft geführt, zu Ausgrenzungen, zu Gewinnern und Verlierern.

Diese Erkenntnis steht am Ende der Ära Kurz, die vielleicht auch nur eine Episode war. Österreich braucht wieder mehr Inhalte und Stabilität - und keinen an sich selbst gescheiterten Wunderwuzzi.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.