Kurt Beck in: Die Rache des Entmachteten
BERLIN/MAINZ - In seiner Autobiografie rechnet Ex-SPD-Chef Kurt Beck erstmals nach dem Drama vom Schwielowsee geharnischt mit seinen innerparteilichen Widersachern ab. Vor allem Franz Müntefering bekommt sein Fett ab - Beck wirft dem designierten Vorsitzenden mangelhafte Profilierung der SPD vor und bezeichnet sein Verhältnis zum Sauerländer als "nicht unproblematisch".
Kurt Beck schlägt zurück: Der vor zwei Wochen von seinen Genossen weggeputschte SPD-Chef hat sich erstmals über die Umstände seines Sturzes geäußert. Die Autobiografie „Kurt Beck. Ein Sozialdemokrat“, aus der „Bild“ jetzt Auszüge veröffentlichte, ist eine Generalabrechnung mit Becks Vorvorgänger und designiertem Nachfolger Franz Müntefering. Die AZ fasst die wichtigsten Passagen zusammen.
Beck über Müntefering: Das Verhältnis zum Sauerländer bezeichnet Beck in dem Buch, das am Donnerstag in den Handel kommt, als „nicht unproblematisch“. Im Politfloskeldeutsch heißt das: total zerrüttet. „Unser Politikstil, die Art, Machtfragen zu klären, sind schwer vereinbar“, tritt Beck nach.
„In der Zeit, als Müntefering Vizekanzler war und ich die Partei führte, resultierten gewisse Schwierigkeiten daher, dass er sehr darauf bedacht war, sich in der Bandbreite des Koalitionsvertrags zu bewegen. Es war schwierig, mit ihm Perspektiven zu erarbeiten, die darüber hinausreichten.“
Beck wettert über das "unmittelbare Umfeld" seiner innerparteilichen Konkurrenten
Beck spielt damit auf sein Abrücken von der Agenda 2010 an – die Verlängerung des ALG I und die Verwässerung der Rente mit 67 hatte er gegen Müntes Widerstand durchgesetzt. Mit Blick auf seinen Erzfeind tönt der Pfälzer, er sei „näher an der Realität des Lebens, als es manch anderer ist“.
Beck über seinen Rücktritt: Beck berichtet, er habe mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Müntefering vereinbart, ein kleines „Kanzlerteam“ für den Wahlkampf zu bilden. Intriganten aus dem Umfeld dieser beiden hätten dann aber die Medien – Beck meint vor allem den „Spiegel“ – gezielt mit Falschinformationen versorgt: „Man ging so weit zu behaupten, dass Steinmeier und Müntefering nun das Kommando übernehmen und den Parteivorsitzenden nur dulden.“
ARD und ZDF hätten darüber mit Einzelheiten berichtet, „die neben Beteiligten auch auf Gerhard Schröder“ verwiesen. „Es war also klar, die gezielten Angriffe auf mich würden nicht nur fortgesetzt, es kam nun der Verdacht eines Bruchs der Vertraulichkeit hinzu, den ich gegen das unmittelbare Umfeld der Beteiligten hege“, giftet Beck: „Wer außer Eingeweihten konnte in der Lage sein, die vorbereitete Bekanntgabe mit einer Intonierung zu belasten, die den treibenden Vorsitzenden als einen bedrängten und getriebenen erscheinen ließen?“
"Eine bittere Nacht und eine bittere Stunde für mich"
Nachdem die Genossen seinen Vorschlag, Steinmeier oder Olaf Scholz zum SPD-Chef zu wählen, abgeschmettert hätten, sei ausgerechnet Müntefering vorgeschlagen worden, so Beck: „Eine bittere Nacht und eine bittere Stunde für mich.“
Steinmeier reagierte gestern gelassen auf die Vorwürfe: Beck zeichne lediglich nach, „wie schwierig die Tage des Führungswechsels für uns alle“ gewesen seien und dass „dabei persönliche Verletzungen zurückbleiben“.
Beck über seinen Linksschwenk: Beck identifiziert sein abruptes Ja zu einer Kooperation mit der Linkspartei als Sargnagel für die eigene Kandidatur. Bei den Wahlen in Niedersachsen und Hessen habe sich herausgestellt, dass die Linke doch in Landtage westdeutscher Flächenländer einziehen könne. Beck: „In dieser Krise habe ich durch die Ankündigung einer richtigen Konsequenz zum falschen Zeitpunkt meine bis dahin vorhandene Chance eingebüßt, selbst als Spitzenkandidat in den Wahlkampf zu ziehen.“
Markus Jox