Kundus-Skandal spitzt sich zu: Der Selbstverteidigungsminister

Der Polit-Superstar Karl-Theodor zu Guttenberg kommt immer mehr in Erklärungsnot: Hat er wichtige Informationen verschwiegen? Die Grünen werfen ihm vor, gelogen zu haben
von  Abendzeitung
Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei seiner zweiten Afghanistan-Reise
Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei seiner zweiten Afghanistan-Reise © dpa

BERLIN - Der Polit-Superstar Karl-Theodor zu Guttenberg kommt immer mehr in Erklärungsnot: Hat er wichtige Informationen verschwiegen? Die Grünen werfen ihm vor, gelogen zu haben

Karl-Theodor zu Guttenberg lässt sich nichts anmerken. Lässig und strahlend posiert er am Samstagabend mit seiner Frau Stefanie bei der „Ein Herz für Kinder“-Gala auf dem roten Teppich. Dabei dürfte dem jungen Minister derzeit alles andere als zum Lachen zumute sein. Der schneidige CSU-Mann gerät nach nur wenigen Wochen im Amt zunehmend in Erklärungsnot, wird immer mehr zum Minister für Selbstverteidigung.

Sein Image des aufrichtigen Polit-Überfliegers bekommt Kratzer. Ab Mittwoch versucht ein Untersuchungsausschuss des Bundestags, das Geschehen rund um den Luftangriff am 4.September aufzuklären, bei dem bis zu 142 Menschen getötet wurden – darunter viele Zivilisten. Die AZ fasst die Lage zusammen.

Vorwurf 1:

Der Luftschlag vor Kundus hatte zum Ziel, die Taliban gezielt zu töten.

Mehrere Medien berichten unter Berufung auf den geheimen Bericht der Internationalen Schutztruppe (Isaf), dass der deutsche Oberst Georg Klein den Luftangriff angeordnet habe, um „Menschen anzugreifen, nicht Fahrzeuge“. Es sei nicht darum gegangen, einen Angriff der Taliban auf das nahe gelegene Feldlager der Bundeswehr zu verhindern, sondern gezielt darum, Kommandeure der Taliban zu töten. Der „Spiegel“ zitiert aus dem Bericht Kleins: „Am 4.September um 1.51 Uhr entschloss ich mich, zwei entführte Tanklastwagen sowie an den Fahrzeugen befindliche Aufständische durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu vernichten.“

Guttenberg reagierte schmallippig auf die neuen Vorwürfe: „Das ist Gegenstand des Untersuchungsausschusses und der juristischen Bewertungen der Bundesanwaltschaft.“ Er habe „wiederholt darauf hingewiesen, dass es in Afghanistan derzeit nicht allein darum geht, Brunnen zu bohren, sondern, dass wir es dort mit kriegsähnlichen Zuständen zu tun haben. In solchen Situationen ist der Einsatz der Waffe auch gegenüber Menschen nicht auszuschließen.“

Vorwurf 2:

Guttenberg verschweigt die wahren Hintergründe für den Rausschmiss seiner wichtigsten Berater.

Der gefeuerte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und der ebenfalls entlassene Staatssekretär Peter Wichert fühlen sich von Guttenberg zu Unrecht zu Sündenböcken degradiert. Aus ihrem Umfeld wird gestreut, beide hätten – anders als vom Minister dargestellt – Guttenberg korrekt und vollständig über alle ihnen vorliegenden Berichte informiert. Guttenberg beharrt dagegen darauf, er habe Schneiderhan und Wichert zu Recht entlassen. Zornig sagt er: „Trotz aller bemerkenswerten Legendenbildung ist Tatsache, dass mir relevante Dokumente vorenthalten wurden. Dafür haben die beiden Herren die Verantwortung übernommen.“

Vorwurf 3:

Auch das Kanzleramt wusste Bescheid. Laut „Leipziger Volkszeitung“ war das Kanzleramt unmittelbar in die neue Eskalationsstufe einbezogen.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wies das umgehend zurück: Das Kanzleramt habe „stets großen Wert darauf gelegt, dass der Einsatz der Bundeswehr immer im Rahmen des vom Bundestag erteilten Mandats erfolgt.“

SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel und Guttenberg zu Regierungserklärungen auf. Es könne der Eindruck entstehen, dass „in Kundus mandatswidrig und völkerrechtswidrig gehandelt“ worden sei. Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour tobt: „Wenn es jetzt um die physische Vernichtung des Gegners und nicht um Stabilisierung der Verhältnisse geht, ist das vollkommen indiskutabel und muss politische Konsequenzen haben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin unterstellt Guttenberg sogar, die Öffentlichkeit bewusst angelogen zu haben.

Guttenberg kontert: „Ja, ja: je lauter das Rufen, um so gewichtiger die Argumente. Wer glaubt, den 4. September an mir festmachen zu können, sollte sich daran erinnern, dass ich da noch gar nicht Verteidigungsminister war.“

Markus Jox

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