Kundus: Menschenrechtler kritisieren "Massentötung"

Wieviele Opfer forderte das Bombardement bei Kundus? Eine afghanische Menschenrechtsgruppe spricht von zahlreichen toten Zivilisten, die Provinzregierung widerspricht. Während das Verteidigungsministerium den Angriff rechtfertigt, kündigte die Bundeskanzlerin eine Erklärung an.
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Trauer um Opfer des Luftangriffs auf Tanklaster
dpa Trauer um Opfer des Luftangriffs auf Tanklaster

KUNDUS - Wieviele Opfer forderte das Bombardement bei Kundus? Eine afghanische Menschenrechtsgruppe spricht von zahlreichen toten Zivilisten, die Provinzregierung widerspricht. Während das Verteidigungsministerium den Angriff rechtfertigt, kündigte die Bundeskanzlerin eine Erklärung an.

Auch drei Tage nach dem von der Bundeswehr angeforderten Luftangriff in Nordafghanistan sind Widersprüche zwischen afghanischen und deutschen Angaben über eventuelle zivile Opfer nicht aufgelöst. Nach Angaben eines Distrikt-Gouverneurs wurden bei dem Luftangriff mehr als 130 Menschen getötet. Abdul Wahid Omarkhel sagte der Nachrichtenagentur dpa, es sei unklar, wie viele der Toten Zivilisten sind, wohl aber seien Kinder unter ihnen.

Die Bundeswehr selbst spricht von 56 Toten. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) rückte mittlerweile aber von seiner Aussage ab, bei Kundus habe es keine zivilen Opfer gegeben. Eindeutig scheine ihm, «dass der überwiegende Anteil Taliban gewesen sind», sagte Jung am Montag im ZDF. Afghan Rights Monitor, eine afghanische Menschenrechtsgruppe, teilte nun mit, dass bei der Zerstörung der beiden Tanklastzüge am Freitag 60 bis 70 Zivilpersonen getötet worden seien. Unter den Getöteten seien nur rund ein Dutzend bewaffnete Taliban gewesen. Dies hätten Interviews mit 15 Dorfbewohnern ergeben. Amnesty International verlangt eine Untersuchung des Luftangriffs in Afghanistan durch die Vereinten Nationen. «Wir fordern, dass die Vorfälle durch eine unabhängige UN-Untersuchung geklärt werden», sagte die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Monika Lüke, am Montag in Berlin dem Nachrichtendienst epd. Bei einem möglichen Verstoß gegen das Völkerrecht müssten in fairen Verfahren Konsequenzen gezogen werden.

Zwei Quellen statt einer?

Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte eine Regierungserklärung zu dem Zwischenfall an, und zwar möglicherweise schon am morgigen Dienstag. Zuvor hatte der Grünen-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, Merkel aufgefordert, sich für den blutigen Luftangriff zu verantworten. Im Anschluss an die Erklärung ist eine einstündige Debatte geplant, in der es ebenfalls um den vom deutschen Kommandeur in Kundus angeordneten Luftangriff auf zwei Tanklastzüge gehen wird. Die Bundeswehr teilte unterdessen mit, es habe zwei Quellen für die Situation vor dem umstrittenen Luftangriff gegeben. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, sagte, neben einer afghanischen Person vor Ort habe es eine zweite Quelle gegeben, zu der er keine weiteren Details nannte, weil dies geheim bleiben müsse. Der Bundeswehr war zuvor vorgeworfen worden, sie habe sich nur auf eine Quelle verlassen. Die Bundesregierung blieb bei ihrer Darstellung, bei dem Angriff seien 56 Kämpfer getötet und zwölf verletzt worden.

«Massentötung» nicht gerechtfertigt

Der Direktor von Afghan Rights Monitor, Adschmal Samadi, sagte zu den Gesprächen mit Dorfbewohnern: «Selbst wenn alle Opfer Unterstützer der Taliban gewesen sein sollten, rechtfertigt die Tatsache, dass die meisten von ihnen unbewaffnet waren und an keinerlei Kampfhandlung beteiligt waren, nicht eine solche Massentötung.» Den Angaben über viele zivile Opfer widersprach ein Sprecher der Provinzregierung von Kundus, Ahmad Sami Jawar: Nach seiner Darstellung wurden bei dem Luftangriff 70 Menschen getötet, darunter nur fünf Zivilpersonen. Die Taliban selbst forderten eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls. «Wir fordern die Vereinten Nationen und Menschenrechtsgruppen dazu auf, zu kommen und den Vorfall zu untersuchen, damit solche Massenmorde gestoppt werden», sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid am Montag. Die Taliban seien bereit, die Sicherheit der Untersuchungsteams zu garantieren.(nz/dpa/AP)

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