Kundus-Affäre: Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf

Der Untersuchungs-ausschuss zum umstrittenen Luftschlag in Afghanistan hat seine Arbeit aufgenommen. Bei dem Angriff hatte es mehr als 140 Tote und Verletzte gegeben. Der Ausschuss wird wahrscheinlich mehr als ein Jahr lang arbeiten, um die vielen noch offenen Fragen zu klären.
Der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des verheerenden Luftangriffs auf zwei Tanklaster in Afghanistan hat seine Arbeit aufgenommen. Dazu konstituierte sich der Verteidigungsausschuss am Mittwoch zu einem parlamentarischen Untersuchungsgremium. Die Opposition hat rund 90 Beweisanträge vorgelegt und will dafür über 40 Zeugen benennen, darunter Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).
Der Ausschuss soll versuchen, die Vielzahl offener Fragen zu dem Luftschlag vom 4. September mit bis zu 142 Toten und Verletzten zu klären. Der Luftangriff in Kundus war von deutscher Seite befohlen worden. Vertreter von Regierung und Opposition bekräftigen ihren Aufklärungswillen. Noch am Mittwoch sollte eine Reihe von Beweisanträgen auf den Weg gebracht werden, darunter eine vorläufige Zeugenliste.
Kritik an Guttenberg
Der stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende, Karl Lamers (CDU), bestätigte im Fernsehsender n-tv, dass die Taliban vor dem Luftangriff einen Anschlag gegen das deutsche Feldlager geplant haben sollen. „In den Wochen zuvor gab es ja bereits Ankündigungen, dass ein solcher Anschlag stattfinden könnte“, sagte er. „Es war klar, dass eine große Gefahr für das deutsche Militärlager dadurch bestand.“ Oberst Georg Klein soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa den Luftschlag unter dem Eindruck von Geheimdienstinformationen über Pläne zur Erstürmung des Lagers befohlen haben.
Als „unanständig“ kritisierte die Opposition den Umgang des Verteidigungsministers mit dem ehemaligen Bundeswehr- Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan. Es werde immer klarer, dass der Minister in der Affäre den angesehenen Offizier nur entlassen habe, um sein eigenes Fehlverhalten „zu kaschieren“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Guttenberg versuche, Schneiderhan „in einem schlechten Licht dazustellen, um selbst besser dazustehen“.
In der Wochenzeitung „Die Zeit“ warf Schneiderhan dem ehemaligen Vorgesetzten Guttenberg vor, den Ablauf seiner Entlassung am 25. November falsch darzustellen. „Was diesen 25. nachmittags angeht, sagt er die Unwahrheit“, sagte der General. Er wehrte sich gegen den Vorwurf, Guttenberg seien wichtige Akten vorenthalten und Berichte unterschlagen worden. „Unterschlagen hat für mich den Geschmack des Vorsatzes. Und es gab keinen Vorsatz“, sagte der Vier-Sterne-General. „Das finde ich inzwischen ehrenrührig.“
Schlechte Unterrichtung
Die eigentliche Arbeit des Untersuchungsausschusses soll im Januar beginnen. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte, seine Partei wolle darauf drängen, Guttenberg als ersten Zeugen zu laden. Die SPD setzt sich laut Arnold dafür ein, dass der Ausschuss öffentlich tagt, wenn Politiker und ihre Spitzenbeamten befragt und keine geheimen, militärischen Vorgänge besprochen werden. Auch die Verteidigungsexperten von FDP, Linken und Grünen versprachen größtmögliche Transparenz und Offenheit.
Der Ausschuss will auch klären, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt im Bundeskanzleramt vorlagen. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete ähnlich wie zuvor die ARD, das Kanzleramt habe sich bereits frühzeitig wegen der schlechten Unterrichtung durch das Verteidigungsministerium zu Kundus beklagt. Merkel habe keinen Zugang zum ersten Bericht der internationalen Schutztruppe ISAF und zum Bericht von Klein gehabt, als sie am 8. September eine Regierungserklärung zu dem Thema abgab. Die Berichte, die auf zivile Opfer hinweisen, waren demnach zwar bereits am 6. September im Verteidigungsministerium eingetroffen, aber erst am 10. September an das Kanzleramt weitergeleitet worden.
dpa/az