Kultusminister: Rückkehr in Schulen vor Sommerferien

Berlin - Ein Hauch von Schulalltag - wenn auch nur ein kleines bisschen: Trotz Corona-Krise sollen alle Schüler vor den Sommerferien zumindest tageweise die Schule besuchen können.
Das schlagen die Kultusminister der Länder den Ministerpräsidenten und Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrem am Dienstag beschlossenen Konzept vor. "Jede Schülerin und jeder Schüler soll bis zu dem Beginn der Sommerferien tage- oder wochenweise die Schule besuchen können", heißt es in dem Papier der Kultusministerkonferenz (KMK), über das Bund und Länder an diesem Donnerstag beraten sollen. Das Echo kam sofort nach Bekanntwerden der Vorlage - kontrovers.
Einen regulären Schulbetrieb für die rund elf Millionen Schüler in Deutschland wird es vor den Sommerferien laut den Ministern nicht geben. Nach dem jetzigen Stand sei dies aufgrund des Abstandsgebots von mindestens 1,50 Meter nicht möglich, hieß es in dem "Rahmenkonzept". Ein Mix aus Präsenzunterricht und Lernen daheim solle ausgebaut, digitales Lehren und Lernen weiterentwickelt werden.
Die Länderminister betonen, dass Infektions-und Gesundheitsschutz "höchste Priorität" haben. Dies sei "Maßgabe für alle weiteren Schritte". Mit den vorgelegten Eckpunkten - darunter strenge Hygieneregeln und Abstandsgebote - sei eine allmähliche Rückkehr zu einem "geordneten Schulbetrieb" möglich. Die Minister setzen auf ein behutsames Vorgehen: Die Lerngruppen werden verkleinert, räumlich getrennt, der Unterricht soll zeitversetzt laufen. Auch wenn Ministerpräsidenten dieses Rahmenkonzept billigen - die konkreten Entscheidungen bleiben am Ende Ländersache.
Auffällig: Anders als in Einzelhandel und öffentlichem Nahverkehr wird den Schulen keine Mundschutz-Pflicht vorgeschrieben. Gleichwohl sei ein Mund-Nasen-Schutz ein "wichtiges Instrument, um Infektionen zu vermeiden", meinte die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Ministerin Stefanie Hubig (SPD). Der Deutsche Lehrerverband kritisierte das als unzureichend. Zur Eindämmung der Corona-Pandemie wäre eine Maskenpflicht zumindest auf Schulfluren, auf dem Pausenhof oder beim Warten auf den Schulbus geboten, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der Deutschen Presse-Agentur.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Baden-Württemberg äußerte ebenfalls Kritik. "Die Versprechen der KMK sind unrealistisch. Viele Lehrkräfte gehören zu Risikogruppen und dürfen nicht in die Schulen", schrieb sie auf Twitter. "Zwei Drittel der Lehrer*innen können nicht gleichzeitig Abschlussprüfungen, Unterricht in zu vollen Klassenzimmern und Lernen zuhause organisieren."
Laut Vereinbarung der Kultusminister sollen Lehrer, die zur Risikogruppe gehören, "auf freiwilliger Basis" Präsenzunterricht geben. "Ferner können sie für weitere Aufgaben eingesetzt werden." Das Robert Koch-Institut sieht ab einem Alter "von etwa 50-60 Jahren" ein steigendes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung. An den allgemeinbildenden Schulen in Deutschland war im Schuljahr 2018/2019 mehr als ein Drittel der rund 685 500 Lehrerkräfte älter als 50 Jahre, mehr als jeder Zehnte war über 60.
Im Beschluss heißt es, alle Abschlussprüfungen sollen in diesem Jahr stattfinden, die Abschlüsse gegenseitig anerkannt werden. Neue Termine, wann welche weiteren Jahrgänge an die Schulen zurückkehren sollen, nennt das Papier nicht. Es wird nur der 4. Mai aufgeführt, den viele Bundesländer schon fest im Visier haben für den nächsten Schritt. Über eine Ausweitung des Unterrichts auf weitere Klassenstufen entscheiden die Länder der zwölfseitigen Vorlage zufolge selbst - nach Vor-Ort-Gegebenheiten und Infektionsgeschehen. Für den 4. Mai planen viele Länder eine Rückkehr jeweils für den ältesten Grundschuljahrgang sowie für Schüler, die 2021 ihren Abschluss machen wollen.
Nach Ansicht des Bundeselternrats fehlen bei den Vorschlägen der Kultusminister zur schrittweisen Rückkehr in die Klassen "Klarheit und Verbindlichkeit". Diese brauchten Schulen und Schulträger aber vor Ort, sagte der Bundesvorsitzende Stephan Wassmuth der dpa. Die Digitalisierung müsse ausgebaut werden, könne den Präsenzunterricht aber nicht ersetzen. Die Länderminister hätten sich auf eine stärkere Verzahnung von Präsenzunterricht und digitalem Lernen verständigt, sagte die rheinland-pfälzische Ministerin Hubig.
Die Bundesschülerkonferenz begrüßte die Bereitstellung zusätzlicher 500 Millionen Euro für die digitale Ausstattung. "Wir haben in den letzten Wochen gesehen, wie wichtig digitale Infrastruktur für Schülerinnen und Schüler ist", sagte Sprecher Torben Krauß der dpa.
Bis Dienstagvormittag waren 156.200 Corona-Infektionen gemeldet. Laut Robert Koch-Institut stieg die Ansteckungsrate leicht an. Erste Lockerungen für die Schulen in Deutschland sind bereits eingeleitet. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) stellte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch) fest: "Wir werden jetzt eine neue Form von Schule erleben."