Künftig Teilzeit bei Pflege von Angehörigen möglich
Wer einen Familienangehörigen pflegt, kann künftig mit seinem Arbeitgeber bis zu zwei Jahre lang eine besonderes Modell der Teilzeitarbeit vereinbaren.
Berlin - Das Bundeskabinett beschloss einen von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) vorgelegten Gesetzentwurf - doch ohne den zuvor in Aussicht gestellten Rechtsanspruch auf Pflegeteilzeit. SPD und Sozialverbände kritisierten dies heftig. Schröder habe nach Protesten der Wirtschaft und der FDP auf ihren ursprünglichen Plan verzichten müssen.
Nach dem Gesetzentwurf für eine Familienpflegezeit soll die Arbeitszeit für maximal 24 Monate auf bis zu 15 Stunden wöchentlich reduziert werden können. Wer zum Beispiel seine Arbeitszeit während der Pflegephase von 100 auf 50 Prozent reduziert, soll laut Gesetz dennoch 75 Prozent des letzten Bruttoeinkommens erhalten. Wird anschließend wieder voll gearbeitet, gibt es aber weiterhin nur 75 Prozent Gehalt - so lange, bis das Zeit- und Gehaltskonto wieder ausgeglichen ist. Während der Pflegephase finanziert der Bund den Unternehmen die höheren Gehaltszahlungen vor. Beim späteren Ausgleich ist das Geld an den Bund wieder zurückzuzahlen.
Um die Risiken einer Erwerbs- und Berufsunfähigkeit zu minimieren, muss laut Gesetz jeder, der die Familienpflegezeit in Anspruch nimmt, eine Versicherung abschließen. Bei einem Bruttolohn von 3000 Euro einschließlich Sozialabgaben würde die Versicherungsprämie etwa 15 Euro monatlich betragen, erläuterte ein Ministeriumssprecher. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2012 in Kraft treten. Es muss nun vom Bundestag verabschiedet werden.
Schröder verwies darauf, dass einige Unternehmen jetzt schon Pflegeteilzeit ermöglichten. Auch Familienfreundlichkeit sei ein "harter Wettbewerbsfaktor" bei der Gewinnung von Arbeitskräften. "Die Pflege eines Angehörigen bringt viele Menschen an die Grenzen ihrer psychischen und physischen Belastbarkeit." Die Ministerin verwies darauf, dass von 2,4 Millionen Pflegefällen mehr als 1,6 Millionen Menschen zu Hause versorgt werden - durch Angehörige und ambulante Dienste. Fast 80 Prozent der Beschäftigten beklagten bei einer Umfrage, dass sich Beruf und Pflege bisher nicht gut vereinbaren ließen. Hier setze das Modell der Familienpflegezeit an.
Die SPD-Politikerinnen Caren Marks und Petra Crone hielten der Ministerin vor, sie habe einen "Meilenstein zur Vereinbarkeit von Familien und Beruf" angekündigt. Doch übrig geblieben sei "nur noch ein Schmalspurgesetz ohne Rechtsanspruch".
Auch der Sozialverband VdK kritisierte den Entwurf als "völlig unzureichend". "Sich nur auf den guten Willen der Unternehmen zu verlassen, ist der falsche Weg", sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Langfristig führe kein Weg daran vorbei, pflegenden Angehörigen eine finanzielle Leistung vergleichbar dem Elterngeld zukommen zu lassen. DGB-Vize Ingrid Sehrbrock sagte, trotz kleinerer Verbesserungen, etwa beim Kündigungsschutz pflegender Angehöriger, sei der Gesetzentwurf "kein großer Wurf".