Kuba wirbt um Auslandsinvestitionen für marode Wirtschaft
Havanna - Ausgerechnet das internationale Großkapital soll helfen, das Land aus der chronischen Wirtschaftsmisere zu führen. Die kubanische Nationalversammlung stimmt am Samstag aller Voraussicht nach einem Gesetz zu, das einen neuen legalen Rahmen für das Vorhaben schafft. Beobachter warnen aber vor überzogenen Erwartungen.
Die neuen Richtlinien für Auslandsinvestitionen waren von Präsident Raúl Castro (82) selbst als Teil seiner Reformen angekündigt worden. Ihre Vorteile seien unleugbar. Sogar von Kapitalspritzen von Großkonzernen war damals die Rede. Die Investitionen sollen in alle Wirtschaftsbereiche fließen, verkündete nun die Staatspresse.
Seit Jahren fährt der jüngere Bruder von Revolutionsführer Fidel Castro einen vorsichtigen marktwirtschaftlichen Reformkurs. Unter seiner Führung hat die Privatinitiative an Bedeutung in der vormals ausschließlich staatlich gelenkten Volkswirtschaft gewonnen. Auch den Immobilien- und Automarkt hat Castro schon teilweise liberalisiert.
Die akuten Wirtschaftsprobleme Kubas konnten die Reformen bislang dennoch nicht lösen - zu schwer wiegt die Krise, unter der das Land seit den 1990er Jahren leidet. Kuba ist stark von den Öllieferungen abhängig, die es zu Vorzugspreisen aus Venezuela erhält.
Das neue Reformvorhaben soll nun die ersehnte wirtschaftliche Selbstständigkeit bringen. Die Regierung hat große Pläne. Zusätzlich zu bereits vorhandenen Investitionen im Tourismussektor will Kuba Kapitalgeber etwa für kleine Bauernkooperativen im Agrarsektor gewinnen. Und auch der Technologietransfer soll gefördert werden.
Das Land, das nach der Revolution von 1959 den Großgrundbesitz abschaffte und alle Wirtschaftszweige in staatliche Hand überführte, bietet dabei auch juristische Garantien an: Potenzielle Investoren sollen vor möglichen Enteignungen gesetzlich geschützt werden.
Bereits im November eröffnete Kuba eine Sonderwirtschaftszone in der Hafengemeinde Mariel nahe Havanna, die nach chinesischem Vorbild zum Industriestandort ausgebaut werden soll. Mit dem neuen Gesetz bekommen die Pläne nun ein vollständiges Regelwerk. Denn die Zeit drängt für die alte Revolutionsgarde.
"Das ist die letzte Chance für den Prozess wirtschaftlicher Reformen", glaubt der kubanische Ökonom Pavel Vidal. Die Regierung habe in den letzten Jahren ihre Wachstumspläne nicht umsetzen können, erklärte der in Kolumbien lehrende Wirtschaftswissenschaftler der Nachrichtenagentur dpa. Die angestrebten Zuwächse sollten zum Teil mit einem 20-prozentigen Anstieg der Auslandsinvestitionen erreicht werden. Und eben diese seien ausgeblieben.
Wann die neue Gesetzgebung in Kraft tretet soll, ist noch unklar. Auch viele andere Fragen bleiben vorerst unbeantwortet - etwa, ob die Regierung uneingeschränkt Investitionen aus der großen kubanischen Exilgemeinde zulassen wird. Vor allem in den USA leben erbitterte und finanzkräftige Castro-Gegner.
Als wahrscheinlich gilt dagegen, dass Kuba die direkte Einstellung lokaler Arbeitskräfte weiterhin nicht ermöglichen wird. Bislang stellt eine staatliche Agentur den ausländischen Firmen das Personal zur Verfügung. Offizieller Arbeitgeber ist der Staat, der nur mickrige Löhne zahlt - die Einnahmen durch die Personalkosten der Unternehmen fließen so vor allem in die öffentlichen Kassen.
Diese Art der Vermittlung sei ein großes Hindernis, glaubt der US-kubanische Politologe Arturo López-Levy von der Universität Denver. Zentralisierung, Bürokratie und fehlende Einkommensanreize fördern aus Sicht zahlreicher Beobachter seit Jahren Korruption und Misswirtschaft in Kubas hoch defizitärem Wirtschaftsapparat.
Vieles hänge deswegen von der konkreten Umsetzung ab. "Man darf nicht vergessen, dass das Gesetz von 1995 nie voll ausgeschöpft wurde", sagt López-Levy. Damals verabschiedete Kuba ein erstes Gesetz für Auslandsinvestitionen, das vor allem der Tourismusbranche zugutekam.
"Es ist wahrscheinlich, dass das neue Gesetz die Erwartungen nicht erfüllt", gibt sich auch Ökonom Vidal nüchtern. Denn bislang sei es eine klare Tendenz gewesen, dass alle Reformen unter den Erwartungen blieben. Im Staatsapparat gebe es Vorbehalte gegenüber den Veränderungen, warnt der frühere Funktionär von Kubas Zentralbank.
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