Kritik in der CSU-Spitze an Wahlkampagne
Die CSU hat bei der Europawahl ihr schlechtestes Ergebnis seit 1954 eingefahren. Die Parteispitze reagiert tief enttäuscht, aber gefasst. Von Panikstimmung ist nichts zu bemerken, dennoch gerät Parteichef Seehofer mit seiner Wahlkampfstrategie unter Beschuss.
München – Nach den massiven CSU-Verlusten bei der Europawahl wird in der Parteispitze Kritik an den scharfen brüsselkritischen Tönen im Wahlkampf laut. Mehrere CSU-Politiker sprachen sich am Montag vor Beginn einer Vorstandssitzung in München dafür aus, künftig stärker pro Europa aufzutreten. CSU-Parteichef Horst Seehofer will nun „zwei zentrale Punkte“ analysieren: die im Bundesvergleich sehr niedrige Wahlbeteiligung und den Kurs der CSU im Wahlkampf. „Das ist eine Wahlniederlage, für die übernehme ich auch die Verantwortung, sagte Seehofer vor Beginn der Vorstandssitzung.
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Kern der CSU-Wahlkampagne war ein grundsätzliches Bekenntnis zu Europa verbunden mit schneidenden Attacken auf die EU-Kommission, für die vor allem CSU-Vize Peter Gauweiler („Flaschenmannschaft“) steht. Die CSU war bei der Europawahl auf 40 Prozent abgerutscht, ihr schlechtestes Ergebnis bei einer überregionalen Wahl seit 60 Jahren. Ein Kritikpunkt in der Parteispitze ist nun, dass der Brüssel-Kurs der CSU angesichts des „Ja, aber“ nicht klar genug gewesen sei.
Der frühere Parteivorsitzende Theo Waigel sagte, die CSU müsse den Menschen die Vorteile Europas und die Bedeutung der EU für Frieden, Demokratie und Freiheit in Europa „noch etwas näher bringen“. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte: „Der Spagat ist in der Tat zu diskutieren, ob das nicht zu breit war und der Kurs vielleicht nicht mehr erkennbar.“
Noch deutlicher wurde Innenminister Joachim Herrmann: „Es gibt keinen Anlass, Europa insgesamt so kritisch zu betrachten.“ Für Gauweilers Position müsse Platz in einer großen Volkspartei sein, „aber sie kann nicht die Hauptlinie der CSU sein“. Gauweiler verteidigte seine Haltung: „Über vieles, was in Brüssel und Europa passiert, bin ich verschreckt. (...) Ich halte diese Punkte für richtig.“
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Der Vorsitzende der Mittelstands-Union, Hans Michelbach, machte auch die Kompromisse von CDU und CSU in der Koalition mit der SPD für die Wahlniederlage verantwortlich: „Der Berliner Koalitionsvertrag hat zur Wahlenthaltung geführt und zur Protestwahl für die AfD“, sagte Michelbach. Die SPD habe mit ihrem gesamteuropäischen Spitzenkandidaten Martin Schulz die „nationale“ Karte gespielt. „Das Dritte war, dass die Doppelstrategie, Europafreund und Europafeind gleichzeitig sein zu wollen, nicht funktioniert hat.“
Die SPD reagierte schadenfroh. „Mit Politik, die den rechten Rand abgrast, wird die CSU keine Wähler mehr fischen“, erklärte die Europapolitikerin Kerstin Westphal. SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen bekräftigte ihren Vorwurf, die CSU sei mitverantwortlich für den Wahlerfolg der AfD: „Die rechtspopulistischen Parolen der CSU haben der AfD dahin geholfen, wo sie jetzt sind.“