Krise, Chaos, Katastrophe?
Verzweifelt ringen Europas Regierungen und Banker um einen Weg aus dem Abgrund: Was bedeutet die Hängepartie für den Euro, für die Sparer und für die Steuerzahler?
Düstere Wolken über Griechenland – wieder einmal, und damit schlechte Zeiten für unser Geld? Gestern berieten die Finanzminister der Eurozone über die Rettung der griechischen Finanzen. Im Vorfeld dazu die Hiobs-Botschaft: Die Rating-Agentur Standard & Poor’s stufte die Kreditwürdigkeit Griechenlands auf „CCC“. Das ist die schlechteste aller Staaten. Wie geht’s weiter – auch für die deutschen Sparer und Steuerzahler? Die AZ klärt die wichtigsten Fragen.
Kann Griechenland pleite gehen?
Im Prinzip ja. Wenn der Internationale Währungsfonds seine Drohung wahr macht, die nächste Tranche der Kredite diesen Monat nicht freizugeben. Dann wäre das Land bankrott. Das wollen und werden die Euro-Regierungen verhindern – vorerst.
Wie viel Geld hat das Land schon bekommen und um wie viel Geld geht es jetzt?
Im vergangenen Jahr bekam die Regierung in Athen schon 110 Milliarden Euro von der EU und dem Internationalen Währungsfonds. Im Kampf gegen die riesige Staatsverschuldung (aktuell: 152 Prozent der Wirtschaftsleistung, Deutschland zum Vergleich 81Prozent) reichte das nicht aus. Das miese Rating verhindert, dass Griechenland sich am Kapitalmarkt neue Kredite besorgen kann. Aktuell braucht die Regierung mindestens noch mal 100 Milliarden.
Was beraten Schäuble und die Finanzminister?
Die Bundesregierung befürwortet weitere Staatshilfen für Griechenland, will aber, dass sich private Gläubiger, also Banken und Versicherungen, an der Rettung beteiligen. Zwar sollen sie nicht auf ihre Forderungen verzichten, aber auf die Rückzahlung ihrer Schulden länger warten. Finanzminister Schäuble schlägt eine Laufzeitverlängerung der Kredite um sieben Jahre vor. Athen hätte Zeit gewonnen, bräuchte nicht neues Geld aus anderen Töpfen.
Ist das eine tragfähige Lösung?
Nein, sagen die Ratingagenturen. Nein, sagt die Europäische Zentralbank (EZB). Die Rating-Agenturen Moody’s und Standard & Poor’s drohen, die Beteiligung privater Gläubiger und die erzwungene Laufzeitverlängerung von Krediten wie einen Zahlungsausfall zu werten. Das würde die Kreditwürdigkeit weiter senken, Griechenland drohte ein Sturz ins Chaos. Jens Weidmann, neuer Bundesbank-Chef und ehemals finanzpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, kritisiert den Vorschlag der Bundesregierung: „Eine Laufzeitverlängerung birgt mehr Risiken als Chancen.“ Wenn Privatinvestoren mit ins Risiko genommen werden, geben sie ihr Geld nur für noch höhere Zinsen her. Griechenland hätte noch mehr und länger Schwierigkeiten, sich Geld am Kapitalmarkt zu besorgen. Die Krise könne sich ausweiten, sagt Weidmann, der auch im Rat der EZB sitzt.
Wie kann die Schuldenkrise sonst gelöst werden?
Die Politiker spielen auf Zeit, die meisten Ökonomen und Wissenschaftler sehen in einem Schuldenschnitt („Haircut“) die beste Lösung: zwischen 50 und 70 Prozent der Staatsschulden müssten gestrichen werden. Damit müssten auch die Gläubigerbanken einen Teil der Last tragen, nicht nur der Steuerzahler, wie bei staatlichen Garantien. Kritiker befürchten aber Panik an den Finanzmärkten. Alle Investoren versuchten dann, ihr Geld abzuziehen, auch deutsche Banken wären bedroht. Das griechische Finanzsystem würde darüber hinaus kollabieren. Der Haircut steht bei der Brüsseler Krisensitzung nicht zur Debatte. Die Beteiligten wollen sich aber trotz aller unterschiedlicher Positionen einigen: „Wir werden nichts gegen den Ratschlag der EZB beschließen“, sagte Staatssekretär Steffen Kampeter.
Was bedeutet die Krise für die deutschen Anleger?
Wenn die Laufzeiten der Staatsanleihen verlängert würden, wären die Folgen für Sparer, Fondseigner, Lebensversicherte eher gering. Bei einem Haircut müssten Inhaber griechischer Staatsanleihen den Wert ihrer Papiere „gedanklich auf Null“ stellen, sagt Unicredit-Experte Kornelius Purps. Rentenfonds, lange als sicher gehandelt, gelten dann als gefährdet, wenn sie Griechenland-Papiere enthalten. Viele Fondsmanager haben ihre Produkte „von Problemanteilen bereinigt“, sagt Investment-Experte Stefan Hübner. Ganz ähnlich handeln Lebensversicherer. Deutsche Versicherer und Pensionsfonds haben ihr Engagement in griechische Papiere im März 2011 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte auf 2,8 Milliarden reduziert. Selbst wenn Banken durch die Krise in Schwierigkeiten geraten würden, wären Inhaber von Tages- oder Festgeld-Konten über die Einlagensicherung der Banken gegen den Verlust ihres Geldes abgesichert.
Was wird aus dem Euro?
War nach Ausbruch der Krise das Ende des Euro befürchtet worden, versucht Bundesbankchef Weidmann zu beruhigen. Selbst bei einem Zahlungausfall Griechenlands seien die Folgen dramatisch und für die Partner schwierig. Aber der Euro werde „auch in diesem Fall stabil bleiben“.
Kann China die Griechen retten?
Die Chinesen nutzen die Euro-Krise sehr geschickt, um in den Krisenstaaten Fuß zu fassen – so wie es Ministerpräsident Wen Jiabo Anfang Oktober 2010 in Athen vorgemacht hat: Er kündigte an, im großen Stil griechische Staatsanleihen kaufen zu wollen. Geld genug haben die Chinesen: Mehr als zwei Billionen Dollar Währungsreserven besitzt das Land. Passiert ist danach wenig: Zwar kaufte China für mehrere hundert Millionen griechische Staatsanleihen – zum Vergleich: 2011 kauften sie portugiesische Schuldscheine in Höhe von vermutlich 5 Milliarden Euro.
Was bringt Griechenlands Tafelsilber?
Der griechische Staat ist an vielen Firmen beteiligt – 50 Milliarden Euro sollen nach EU-Auflage durch den Verkauf dieser Anteile erlöst werden. Aber die Investoren – wie die Deutsche Telekom – zögern: Viele Betriebe sind unrentabel.