Krieg in der Ukraine: Das Schlimmste steht noch bevor

Frankreichs Präsident Macron hat nach einem Telefonat mit Putin nur wenig Hoffnung auf Frieden - und in den ukrainischen Städten sterben viele Zivilisten.
von  Martin Romanczyk
Eine Frau flieht mit ihrer Familie über eine zerstörte Brücke in den Außenbezirken von Kiew.
Eine Frau flieht mit ihrer Familie über eine zerstörte Brücke in den Außenbezirken von Kiew. © picture alliance/dpa/AP

Nach Einschätzung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron steht im russischen Krieg gegen die Ukraine das Schlimmste noch bevor. Das verlautete aus dem Élyséepalast nach einem Telefonat Macrons mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Wie es in Paris weiter hieß, ist es Putins klares Ziel, die gesamte Ukraine unter seine Kontrolle zu bringen.

Russland hat die Luftangriffe auf Ziele in der Ukraine verstärkt. Nach Angaben ukrainischer Behörden gab es Tote und Verletzte. Laut der Vereinten Nationen sind inzwischen mehr als eine Million Menschen auf der Flucht.

Erneute Verhandlungen sollen Ergebnisse bringen

Delegationen Russlands und der Ukraine trafen sich gestern im belarussischen Brest ein zweites Mal zu Verhandlungen im Westen von Belarus (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet). Das erste Treffen am Montag war ohne greifbare Ergebnisse geblieben.

Am achten Kriegstag sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow: "Wir sind gesprächsbereit, aber wir werden unsere Operation fortsetzen."

Putin drohte mit weiteren Forderungen

In dem Telefonat mit Macron drohte Putin nach Kreml-Angaben, weitere Forderungen an die Ukraine zu stellen. Zuvorderst gehe es um die Demilitarisierung der Ukraine und deren neutralen Status. Putin habe betont, dass die Ziele der militärischen "Spezial-Operation", wie Russland den Krieg bezeichnet, in jedem Fall erreicht werden. Nach Angaben aus Paris ging die Initiative für das Telefonat von Putin aus. Im Anschluss telefonierte Macron mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Selenskyj gibt sich weiter kämpferisch. "Sie werden hier keinen Frieden haben, sie werden hier kein Essen haben, sie werden hier keine ruhige Minute haben", sagte er in einer Videobotschaft.

Bei russischen Angriffen auf die ostukrainische Millionenstadt Charkiw und Umgebung sind nach Angaben von Behörden am Mittwoch und gestern mindestens 34 Zivilisten getötet worden. 285 Menschen wurden zudem verletzt, darunter zehn Kinder, wie der Zivilschutz mitteilte. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Die zweitgrößte Stadt des Landes liegt nahe der Grenze zu Russland. Sie ist seit Kriegsbeginn Ziel russischer Angriffe.

Russische Armee soll Feldlager errichten

In Kiew gab es in der Nacht mehrere schwere Explosionen. Luftalarm wurde ausgelöst, wie die Agentur Unian berichtete. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko schrieb bei Telegram: "Der Feind versucht, in die Hauptstadt durchzubrechen."

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs setzten sich russische Truppen nördlich und nordwestlich von Kiew in 20 bis 30 Kilometern Entfernung von der Stadt fest und errichteten Feldlager.

Die südukrainische Hafenstadt Mariupol mit rund 440.000 Einwohnern ist nach Angaben örtlicher Behörden nach Luftangriffen ohne Wasser, Heizung und Strom. Nach russischen Angaben ist Mariupol inzwischen eingeschlossen.

Ukrainische Angaben melden 9.000 getötete russische Soldaten

Die Situation in der südlichen Gebietshauptstadt Cherson ist unklar. Die ukrainische Armee hat die Stadt offenbar aufgegeben. "Wir haben in der Stadt keine Streitkräfte der Ukraine, nur friedliche Bewohner, die hier leben wollen!", schrieb Bürgermeister Ihor Kolychajew in der Nacht zu gestern.

Nach ukrainischen Angaben wurden seit Beginn des Kriegs etwa 9.000 russische Soldaten getötet. Hunderte Militärfahrzeuge, darunter mehr als 200 Panzer, sowie Dutzende Flugzeuge und Hubschrauber seien zerstört worden. Russland hat 498 getötete Soldaten in den eigenen Reihen bestätigt.

Ausländisches Frachtschiff bei Odessa offenbar gesunken

Nahe der südukrainischen Hafenstadt Odessa ist ein ausländisches Frachtschiff offenbar nach Beschuss gesunken. Die "Helt", die einem estnischen Unternehmen gehört und unter panamaischer Flagge fuhr, sei unter der Wasserlinie getroffen worden und vom Radar verschwunden, so die ukrainische Hafenverwaltung gestern.

Ein Sprecher des estnischen Außenministeriums sagte, die sechs Besatzungsmitglieder seien gerettet worden und in Sicherheit. Es seien keine estnischen Staatsbürger darunter.

Demnach ereignete sich der Vorfall rund 20 Seemeilen (etwa 37 Kilometer) vor der ukrainischen Küste im Schwarzen Meer. Die genauen Umstände des Untergangs seien noch unklar, sagte der Sprecher. Auch die ukrainische Behörde machte keine Angaben dazu, wer das Schiff beschossen hat. Laut der Webseite Vesselfinder ist die "Helt" 79 Meter lang und elf Meter breit.

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