Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Lage am russisch besetzten AKW Saporischschja ist weiterhin kritisch. Präsident Selenskyj wendet sich erneut mit einem Appell an die internationale Staatengemeinschaft. Die News im Überblick.
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Ein Satellitenbild des AKW in Saporischschja. Kiew und Moskau beschuldigen sich weiterhin gegenseitig, Europas größtes Kernkraftwerk zu beschießen.
Ein Satellitenbild des AKW in Saporischschja. Kiew und Moskau beschuldigen sich weiterhin gegenseitig, Europas größtes Kernkraftwerk zu beschießen. © -/Maxar Technologies/AP/dpa
Kiew

Nach der Notabschaltung von zwei Reaktoren im russisch besetzten AKW Saporischschja hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein energischeres internationales Eingreifen gefordert. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA und andere Organisationen müssten viel schneller handeln als bislang, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache in Kiew.

"Jede Minute, die das russische Militär im Kernkraftwerk bleibt, bedeutet das Risiko einer globalen Strahlenkatastrophe", sagte er. Weil zwei Mal die Stromversorgung ausfiel, hatten sich am Donnerstag zwei Reaktorblöcke der Anlage abgeschaltet. Ein russischer Diplomat stellte den Besuch einer Expertenmission der IAEA zu dem Werk für Ende August oder Anfang September in Aussicht.

Für die Ukraine ist heute der 184. Tag ihres Abwehrkampfes gegen russische Invasion. Sie ist dafür auf Rüstungslieferungen aus dem Ausland angewiesen. Deutschland wolle bei seinen Hilfen weiter "besonnen und sorgfältig überlegt" handeln, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Magdeburg.

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Atomenergiebehörde: Könnten in wenigen Tagen fahren

Die IAEA in Wien teilte unter Berufung auf Informationen aus Kiew mit, das Sicherheitssystem des Kraftwerks in Saporischschja habe zwei laufende Reaktoren abgeschaltet. Das AKW sei über die Stromleitung eines nahen Wärmekraftwerks weiter versorgt worden. Es sei nun wieder mit dem ukrainischen Stromnetz verbunden. Derzeit stünden nach ukrainischen Angaben alle sechs Reaktoren still, hieß es. Die russische Besatzungsverwaltung hatte dagegen mitgeteilt, ein Reaktorblock sei wieder angefahren worden.

IAEA-Direktor Rafael Grossi bekräftigte seine Bereitschaft, binnen Tagen mit Experten nach Saporischschja zu fahren. Ein russischer Diplomat bei den Vereinten Nationen nannte Ende August oder Anfang September als Zeit für eine Reise. Er sehe die Vorbereitungen optimistisch, sagte er im russischen Fernsehen. Über den Reiseweg der Delegation und die notwendigen Sicherheitsgarantien beider Seiten wird allerdings seit Wochen gestritten.

Die Lage im größten Kernkraftwerk Europas und dessen Umgebung ist seit Wochen undurchsichtig. Russen und Ukraine werfen einander vor, das AKW zu beschießen. Das britische Verteidigungsministerium veröffentlichte Satellitenfotos, die angeblich russische Militärlastwagen neben einem Reaktor zeigen. Vergangene Woche zeigte ein nicht verifiziertes Video Militärfahrzeuge auch in einer der großen Maschinenhallen.

USA warnen Russland: Strom aus Saporischschja gehört der Ukraine

Nach Angaben des ukrainischen Betreibers Enerhoatom war Saporischschja wegen des Stromausfalls erstmals in seiner Geschichte vom Netz der Ukraine abgeschnitten. Es gibt auch Befürchtungen, dass Russland die Stromproduktion des AKW in sein Netz einspeisen könnte. Dies wäre inakzeptabel, hieß es aus den USA. "Um es ganz klar zu sagen: Das Atomkraftwerk und der Strom, den es produziert, gehören der Ukraine", sagte ein Vertreter des US-Außenministeriums.

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Scholz: Wir geben nur so viel, dass der Krieg nicht eskaliert

Deutschland unterstütze die Ukraine, wolle aber zugleich eine Eskalation des Kriegs verhindern, so dass dieser sich nicht ausweite, sagte Bundeskanzler Scholz im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern in Magdeburg. "Und da können Sie sich darauf verlassen, dass wir immer die Besonnenheit, die Klarheit und die Festigkeit besitzen werden, entlang dieses Prinzips zu entscheiden."

Scholz zitierte US-Präsident Joe Biden mit den Worten, man werde keine Waffen liefern, mit denen auf russisches Territorium geschossen werden könne. "Und das, finde ich, ist ein Prinzip, an das sich auch alle anderen gleichermaßen gehalten haben", sagte Scholz.

Deutschland wird von der Ukraine, aber auch von den osteuropäischen Nato-Staaten immer wieder kritisiert, weil es gemessen an seinen Möglichkeiten eher zögerlich helfe. Berlin hat zuletzt ein Paket mit hochmodernen Waffen für eine halbe Milliarde Euro zugesagt; die Ukraine hatte aber eher um Kampf- und Schützenpanzer gebeten.

Kiew benennt 95 Straßen und Plätze um

Als kulturelle Abkehr von der früheren Vormacht Russland benennt die ukrainische Hauptstadt Kiew 95 Straßen und Plätze um, deren Namen an Russland oder die Sowjetunion erinnerten. Das teilte Bürgermeister Vitali Klitschko mit. So sollen außer den deutschen kommunistischen Vordenkern Karl Marx und Friedrich Engels auch die russischen Schriftsteller Alexander Puschkin, Lew Tolstoi, Anton Tschechow, Iwan Turgenjew und Michail Lermontow aus dem Straßenbild verschwinden.

Auch die Namen sowjetischer Marschälle des Zweiten Weltkriegs werden getilgt, ebenso Straßennamen, die an russische Städte wie Moskau, Rostow am Don oder Magnitogorsk erinnern. Künftig sollen die Straßen nach Personen und Städten aus der Ukraine benannt sein. Die Umbenennungen in der Dreimillionenstadt seien damit nicht abgeschlossen, sagte Klitschko.

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Prominenter russischer Kriegskritiker muss in Hausarrest

Der prominente russische Oppositionspolitiker Jewgeni Roisman wurde einen Tag nach seiner Festnahme wieder aus der Haft entlassen - aber unter strikten Einschränkungen. Ein Gericht in der Millionenstadt Jekaterinburg am Ural entschied, der 59-Jährige dürfe bis Ende September keine öffentlichen Orte und Veranstaltungen besuchen. Auch dürfe er keine Post empfangen und weder telefonieren noch das Internet nutzen. Roisman war bis 2018 Bürgermeister in Jekaterinburg. Der Kriegsgegner wird beschuldigt, Falschnachrichten über die russische Armee verbreitet zu haben. Dafür drohen in Russland viele Jahre Haft.

Das wird heute wichtig

Vertreter der Türkei, Schwedens und Finnlands treffen sich in Helsinki zu Gesprächen über die Nato-Norderweiterung. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine haben Schweden und Finnland ihre jahrzehntelange Neutralität aufgegeben und einen Beitritt zum Verteidigungsbündnis beschlossen. Die Türkei hat ihre Zustimmung als Bündnisstaat aber an Bedingungen geknüpft. Dazu gab es vor dem Nato-Gipfel vom Juni zwar eine grundsätzliche Einigung, die Gespräche sollen aber fortgesetzt werden.

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