Krieg gegen die Ukraine: Forderung nach Reisebeschränkung für russische Bürger

Zwischen der EU und Russland fliegt kein Flugzeug. Russen können nur über Land in drei EU-Länder einreisen, und von dort kommt die Forderung nach einem Stopp. Die Entwicklungen im Überblick.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
3  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Russlands Präsident Wladimir Putin.
Russlands Präsident Wladimir Putin. © Mikhail Klimentyev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
Kiew

Im Streit über die Reisemöglichkeiten für Russen in der EU hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Forderung nach einem Reisebann bekräftigt. "Es muss gewährleistet sein, dass russische Mörder und Helfer des Staatsterrors nicht Schengen-Visa nutzen", sagte er am Freitagabend in Kiew.

Mehrere Städte in der Ukraine wurden abends von russischen Raketen getroffen, allein in der Großstadt Saporischschja schlugen nach Behördenangaben fünf Raketen ein. International gilt die Sorge weiter der Lage in dem von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerk von Saporischschja in der Stadt Enerhodar. Ein Hoffnungsschimmer am 171. Tag des russischen Angriffskrieges ist die Ausfuhr von Getreide aus ukrainischen Häfen, die am Samstag weitergehen soll.

Russlands Nachbarn fordern Reisebeschränkungen

Die Forderung nach Reisebeschränkungen für Russen kommt vor allem aus den direkten Nachbarländern. Estland und Lettland im Baltikum haben die Einreiseregeln bereits verschärft, auch Finnland erwägt dies. Deutschland und auch die EU-Kommission in Brüssel lehnen einen grundsätzlichen Stopp von Touristenvisa für Russinnen und Russen ab.

"Europa hat Flugreisen von Russland nach Europa verboten. Das bedeutet, dass der einzige Weg, wie Russen nach Europa gelangen können, nur über drei Länder führt - Finnland, Estland und Lettland", sagte die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas. "Daher ist also nicht wirklich fair, dass alle anderen Schengen-Staaten diese Visa ausstellen, aber wir drei eigentlich die Last tragen." Kallas verwies auf heftige Reaktionen in Moskau auf die Visa-Diskussion. Dies zeige, dass ein Einreiseverbot ein wirksames Sanktionsinstrument sein könne.

Selenskyj sagte, nach allem, was die russische Besatzung in der Ukraine getan habe, könne es zu Russland nur eine Haltung geben, nämlich es als Terrorstaat zu betrachten. "Von diesem Standpunkt aus sollte auch die Haltung zu den Bürgern Russlands bestimmt werden." Für Russen, die wirklich Schutz brauchten, gebe es erprobte juristische Mechanismen wie Asyl. Das habe aber nichts mit Urlaubs- oder Geschäftsreisen in die EU zu tun.

EU für Demilitarisierung von AKW Saporischschja

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte einen sofortigen Abzug russischer Truppen aus dem besetzten AKW Saporischschja in der Südukraine. Er unterstütze Forderungen nach einer Demilitarisierung der Anlage und dringe auf einen Besuch von Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). "Russland muss sofort die Kontrolle an die Ukraine als dem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben", schrieb Borrell auf Twitter.

Die internationale Gemeinschaft ist besorgt, weil das seit März besetzte größte AKW Europas in den vergangenen Tagen mehrfach beschossen wurde. Die Ukraine und Russland sehen die Verantwortung jeweils bei der anderen Seite. Auch UN-Generalsekretär António Guterres und die USA haben eine Demilitarisierung des Kraftwerks und seiner Umgebung gefordert. Moskau lehnt dies strikt ab, will aber einen Besuch von IAEA-Experten in der Stadt Enerhodar zulassen.

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew warf der Ukraine und ihren westlichen Partnern vor, in dem AKW ein "neues Tschernobyl" zu riskieren - in Erinnerung an den Atomunfall von 1986. Er fügte in seinem Blog auf Telegram einen bedrohlich klingenden Satz hinzu: "Nicht zu vergessen, dass es auch in der EU Kernkraftwerke gibt. Und auch dort kann etwas passieren."

London: Russen durch beschädigte Brücken geschwächt

Die russische Position im besetzten südukrainischen Cherson ist nach Einschätzung britischer Geheimdienste durch Gegenangriffe auf strategisch wichtige Flussquerungen deutlich geschwächt. Über die zwei Hauptstraßenbrücken über den Dnipro könne mutmaßlich keine erhebliche militärische Ausrüstung mehr in die russisch besetzen Gebiete westlich des Flusses transportiert werden, hieß es am Samstag vom britischen Verteidigungsministerium.

An der wichtigen Antoniwka-Brücke seien den Russen in den vergangenen Tagen nur oberflächliche Reparaturen gelungen. Die andere wichtige Brücke sei durch ukrainische Angriffe mit Präzisionswaffen in den vergangenen Tagen für schwere Militärfahrzeuge unbefahrbar geworden. Auch die wichtigste Eisenbahnbrücke in der Nähe von Cherson soll weiter beschädigt worden sein. Um militärischen Nachschub zu organisieren, habe Moskau zuletzt vor allem auf eine Fährverbindung nahe der Brücke gesetzt.

Selbst nach weiteren Reparaturen würden die Brücken voraussichtlich eine Schwachstelle des russischen Militärs bleiben. Der Nachschub und die Versorgung für Tausende russische Truppen auf der Westseite des Dnipro sei von zwei provisorischen Fährverbindungen abhängig.

Raketenangriffe auf ukrainische Städte

In der Luftlinie etwa 45 Kilometer entfernten Gebietshauptstadt Saporischschja schlugen am Freitagabend fünf russische Raketen ein. Dabei seien Gebäude der Infrastruktur zerstört worden, teilte Gouverneur Olexander Staruch mit. Ein Brand sei ausgebrochen. Mindestens eine Frau sei verletzt worden, es würden weitere Informationen über Opfer erwartet. Die sechstgrößte Stadt der Ukraine ist in ukrainischer Hand. Der südliche Teil des Gebietes Saporischschja ist aber russisch besetzt.

Auch die Stadt Kramatorsk im Donbass wurde nach Behördenangaben am Freitagabend beschossen. Dabei seien mindestens zwei Zivilisten getötet und 13 verletzt worden. Der Donbass war weiterhin das Hauptschlachtfeld. Dabei räumte der ukrainische Generalstab russische Geländegewinne bei Horliwka ein.

Ukraine fordert Hilfe bei Verfolgung von Kriegsverbrechen

Der ukrainische Verteidigungsminister Olekxij Resnikow hat die USA und andere westliche Staaten zur Hilfe bei der Verfolgung russischer Kriegsverbrechen aufgefordert. Die Ukraine brauche Experten für Militärrecht und Spezialisten für die Aufklärung von Kriegsverbrechen, um die russischen Angreifer zu bestrafen, teilte Resnikow am Samstag bei Facebook mit. Er habe eine entsprechende Bitte über das Außenministerium in Kiew an die Ukraine-Kontaktgruppe gerichtet, zu der neben den USA auch Deutschland und Großbritannien gehören. Es müsse eine internationale Koalition gebildet werden, um die blutigen Taten zu verfolgen, betonte der Minister.

Resnikow bezog sich besonders auch auf das Schicksal von ukrainischen Kriegsgefangenen, die in russischer Haft massenhaft getötet und gefoltert würden. Es sollten nicht nur die Täter selbst, sondern die Befehlsgeber und jene, die solche Verbrechen rechtfertigten, bestraft werden. Als Vorbild nannte er den Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gegen Nationalsozialisten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
3 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • MadridistaMUC am 14.08.2022 11:06 Uhr / Bewertung:

    Das würde aber auch die Vielen Treffen, die ja gegen Putin sind. Und es wäre ziemlich kurzsichtig, da wir uns wieder selber schaden. Münchner Kliniken verdienen viel Geld mit Selbstzahler - Patienten aus Russland. Nur ein Beispiel, dass wir uns wieder selber schaden. Genauso wie mit den Sanktionen.

  • Dimpfe am 14.08.2022 08:06 Uhr / Bewertung:

    Was können alle(!) russischen Bürger dafür, was ihr Präsident so macht? Viele haben ihn noch nicht einmal gewählt.

    Und warum darf Oligarch Selensky fordern und wollen, obwohl die ukrainische Regierung selbst massiv gegen die russisch-sprachigen Minderheiten im Land vorging und bis heute vorgeht? Udn warum beklatschen wir die Ukraine, die ehem. paramilitäriche Einheiten wie das Azov-Regiment (Markenzeichen Hakenkreuz und Nazi-Runenschrift - siehe auch älteren ZDF-Bericht!!) ) in die eigene Armee "eingegliedert" hat?

    Die Ukraine führt seit 8 Jahren(!) Krieg gegen ihre eigene Bevölkerung, nur weil Teile davon eben (nur) russisch sprechen und/oder russisch-stämmig sind. Das wäre so, als würde Deutschland gegen z.B. die Sachsen Krieg führen, weil die "anders sprechen" udn ja auch irgendwie "Dunkeldeutschland" und "Pack" (Aussagen von Ministern und anderen hohen Politikern der BRD!) sind.

  • strizzi am 13.08.2022 16:29 Uhr / Bewertung:

    Ach Herr Selenski, "Sippenhaft"? Wie wärs wenn die Ukraine erst im eigenen Land sauber macht? Korruption? Vetternwirtschaft? Oligarcherei?
    Russen sollen im Sinn der Völkerverständigung weiter einreisen. Die oberste Ebene kann ja gebannt werden.
    Wie wärs mit diesem Ansatz statt immer mehr zu fordern?
    Sie wissen ja, wo die Außengrenzen der EU enden? Richtig, die Ukraine zählt nicht zur EU!

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.