Kreml wirft Westen fehlenden Verhandlungswillen vor

Moskau - Russland hat dem Westen nach bald einem Jahr Angriffskrieg gegen die Ukraine fehlenden Verhandlungswillen vorgeworfen. Dem Westen fehle es an Offenheit für Friedensinitiativen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Sonntag in einem TV-Interview, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass meldete. Aus diesem Grund werde Westen wohl auch kein Treffen von Russlands Präsident Wladimir Putin mit US-Präsident Joe Biden befürworten, sagte Peskow. Russische Truppen waren am 24. Februar 2022 ins Nachbarland einmarschiert.
Aus Sicht der angegriffenen Ukraine wie westlicher Länder fehlt eine Verhandlungsbasis, weil Russland an seinen Eroberungen in der Ukraine festhält und die Kiewer Führung stürzen will. Der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko hat mehrfach schon ein Treffen der Präsidenten Russlands und der USA angeregt. Als Ort schlug er die belarussische Hauptstadt Minsk vor, wo 2015 unter deutsch-französischer Vermittlung ein inzwischen längst gescheiterter Friedensplan ausgehandelt worden war.
An diesem Dienstag will Putin in Moskau eine Rede an die Nation halten. Der Kremlchef werde über die "Militäroperation" und deren Auswirkungen sprechen, kündigte Peskow an. Der Begriff Krieg wird in Russland nach wie vor vermieden. US-Präsident Biden wird am selben Tag zu einer Rede in Polens Hauptstadt Warschau erwartet, einem Nachbarland der Ukraine.
Ukrainischer Generalstaatsanwalt nennt Verschleppungen Völkermord
Die Ukraine hat Russland wiederum wegen der Zwangsumsiedlung von ukrainischen Staatsangehörigen Völkermord vorgeworfen. "Wenn wir über Genozid in der Ukraine sprechen, dann müssen wir über das Thema der Zwangsdeportationen von Ukrainern und ukrainischen Kindern sprechen", sagte Generalstaatsanwalt Andrij Kostin am Sonntag den Fernsehsendern RTL und ntv. "Zwangsumsiedlung ist ein klarer Beweis für Genozid."
Moskau spreche selbst ganz offen von einer "De-Ukrainisierung", sagte Kostin. "Wenn solche Botschaften von hochrangigen Politikern des Aggressors gesendet werden, dann geht es hier nicht nur um Kriegspropaganda, sondern das ist eine klare Anstiftung, Gräueltaten zu begehen." Der Verschleppen von Erwachsenen wie Kindern gilt juristisch als eine Ausprägung von Völkermord.
Moskau dementiert Deportationen. Die Ausreise vieler Ukrainer nach Russland wird als Flucht aus der Kampfzone dargestellt. Die Regierung in Kiew wirft der russischen Armee vor, eine Flucht auf die ukrainische Seite zu verhindern. Vor dem Rückzug russischer Truppen aus dem Gebiet Cherson im vergangenen Herbst wurden viele Ukrainer von dort auf die Krim oder nach Russland gebracht.
Auch die Verschleppung von Kindern wird von russischer Seite trotz gegenteiliger Belege bestritten. Wenn Kinder nach Russland verbracht werden, wird dies oft mit medizinischer Behandlung oder Erholung begründet. Russlands Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa berichtete Präsident Wladimir Putin vergangene Woche, dass sie einen 15-jährigen Jungen aus der zerstörten Stadt Mariupol adoptiert habe.
Geschosse schlagen in ostukrainischer Stadt Druschkiwa ein
Im Osten der Ukraine sind nach Angaben der örtlichen Behörden in der Stadt Druschkiwka mehrere russische Geschosse eingeschlagen. Dabei seien in der Nacht zwei Wohnhäuser beschädigt worden, teilte der Gouverneur des umkämpften Gebiets Donezk mit, Pawlo Kyrylenko. Angaben über Verletzte oder Todesopfer machte er zunächst nicht. Druschkiwka liege weit hinter der Front, werde aber trotzdem immer wieder mit Raketen beschossen, schrieb Kyrylenko im Netzwerk Telegram.
Nach einem Bericht des Nachrichtenportals "Ukraiinska Prawda" wurden seit Samstag insgesamt acht ukrainische Verwaltungsgebiete beschossen. Dazu gehörten die Gebiete Sumy, Charkiw und Dnipropetrowsk, die alle nahe der Front liegen. Im Westen der Ukraine wurde in der Hauptstadt des Gebiets Chmelnyzkyj nach Behördenangaben ein Militärobjekt von einer Rakete größere Reichweite getroffen. Eine weitere Rakete sei nahe einer Haltstelle eingeschlagen. Die Druckwelle habe mehrere Wohnhäuser und Schulen beschädigt.
Am Sonntagmorgen herrschte im Osten und Süden der Ukraine zeitweise Luftalarm, ohne dass von tatsächlichen Angriffen berichtet wurde. Der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert bereits seit