Kosovo spaltet die EU

Anerkennung oder nicht? Die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ruft weltweit Reaktionen hervor. Kritiker berufen sich auf geltende Regelungen, Befürworter versuchen, die Serben nicht zu brüskieren.
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Symbol der neuen Unabhängigkeit
dpa Symbol der neuen Unabhängigkeit

Anerkennung oder nicht? Die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ruft weltweit Reaktionen hervor. Kritiker berufen sich auf geltende Regelungen, Befürworter versuchen, die Serben nicht zu brüskieren.

Einen Tag nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo sucht die EU eine gemeinsame Haltung gegenüber dem neuen Staat auf dem Balkan. Die EU-Außenminister debattierten am Montag in Brüssel über eine Erklärung. Eine EU-Anerkennung des Kosovo stand aber ausdrücklich nicht auf der Tagesordnung. Das sei Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, unterstrichen mehrere Ressortchefs.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) antwortete nicht auf die Frage, wann Deutschland das Kosovo anerkennen wolle. Zuvor hatte er darauf verwiesen, dass Deutschland und andere Staaten eine Verhandlungslösung zwischen Serben und Kosovo-Albanern bevorzugt hätten. Nachdem diese aber nicht zustande gekommen sei, «können wir jetzt der Geschichte nicht ausweichen». Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte vor Auslandsjournalisten in Berlin: «Mit Sicherheit wird die Bundesrepublik diese Anerkennung nicht heute vollziehen.» Bei dem EU-Außenministertreffen in Brüssel gehe es zunächst einmal darum, eine «Plattform zu verabschieden, auf der dann alle europäischen Länder ihre nationalstaatliche Entscheidung fällen können». Merkel betonte, die Anerkennung des Kosovos wäre kein Präzedenzfall für andere nach Unabhängigkeit strebenden Provinzen: «Wir sagen, dass der Fall Kosovo mit keinem anderen Fall zu vergleichen ist.»

Verletzung von internationalem Recht krisitiert

Madrid steht dem unabhängigen Kosovo weiter ablehnend gegenüber: «Spanien wird die einseitige Unabhängigkeitserklärung der Versammlung in Pristina nicht anerkennen, weil sie nicht internationales Recht respektiert», sagte Außenminister Miguel Angel Moratinos.

Frankreich begrüßte dagegen die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz: «Das ist ein großer Erfolg für Europa, ein großer Erfolg für die Kosovaren und sicherlich keine Niederlage für die Serben», sagte Außenminister Bernard Kouchner. Der slowenische Außenminister und derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Dimitrij Rupel, sagte, das Kosovo solle so schnell wie möglich eine europäische Perspektive erhalten. «Wir haben so oft gesagt, dass wir die Serben, Kosovaren, Bosnier und Mazedonier, dass wir alle in der EU haben wollen», sagte der Amtschef aus Ljubljana.

Russland erinnert an Resolution 1244

Moskau forderte am Montag UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dazu auf, die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos abzulehnen. «Wir denken, er sollte seinen Standpunkt deutlicher definieren», sagte der Balkan-Sondergesandte des russischen Außenministeriums, Alexander Bozan-Chartschenko. «Er sollte sich an die UN-Charta und die Sicherheitsratsresolution 1244 zum Kosovo halten.» In der 1999 verabschiedeten Resolution 1244 wird das Kosovo als Bestandteil der Bundesrepublik Jugoslawien bezeichnet, deren Rechtsnachfolgerin die Republik Serbien ist. Ban hatte am Sonntag erklärt, die Kosovo-Resolution von 1999 bleibe in Kraft.

China bremst Taiwan

China hat auf die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos mit Besorgnis reagiert. Damit würden die Bemühungen um eine multiethnische Gesellschaft untergraben und die Stabilität auf dem Balkan gefährdet, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Montag in Peking. Die Regierung befürchtet, dass das Kosovo zum Präzedenzfall werden und neben dem Konflikt mit Taiwan auch den Unabhängigkeitsbestrebungen in Tibet und in der Region Xinjiang Auftrieb geben könnte.

Scharf kritisiert wurde auch eine Erklärung der Regierung Taiwans, die die kosovarische Unabhängigkeitserklärung begrüßte. Taiwan komme es als Teil Chinas nicht zu, eine völkerrechtliche Anerkennung auszusprechen, sagte Außenamtssprecher Liu Jianchao. «Wir treten entschlossen jedem und jeder Organisation entgegen, die Taiwan vom Festland abtrennen will», sagte er.

Gysi verweist auf völkerrechtliche Konsequenzen

In Deutschland hat Linksfraktionschef Gregor Gysi hat die Bundesregierung aufgefordert, die Unabhängigkeit des Kosovos von Serbien nicht anzuerkennen. Die Trennungserklärung sei «aus Sicht der Kosovo-Albaner durchaus verständlich und nachvollziehbar», sagte Gysi am Montag. Ihr müsse aber aus gravierenden politischen und völkerrechtlichen Gründen jegliche internationale Anerkennung versagt werden. Andernfalls könne künftig beispielsweise weder Basken noch katholischen Nordiren, Tschetschenen oder Kurden nachvollziehbar erklärt werden, warum sie nicht das Recht auf einen eigenen Staat hätten, argumentierte Gysi. Er wies unter anderem auch auf den seinerzeitigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats zur Stationierung von Truppen im Kosovo hin, aus dem sich ergebe, dass der Kosovo Bestandteil des UN-Mitglieds Serbien sei. Im Falle einer internationalen Anerkennung müssten daher die Soldaten, auch die deutschen, sofort zurückgezogen werden, weil es keine völkerrechtliche Grundlage für ihren Verbleib gäbe. (nz)

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