Kopftuchverbot im Gericht: Ein Pro & Contra

Das Augsburger Verwaltungsgericht kippt das Kopftuchverbot auf der Richterbank. Ein Pro & Contra der AZ-Redaktion.
von  Rosemarie Vielreicher, Timo Lokoschat
Aquila S. trägt während der Verhandlung im Verwaltungsgericht Augsburg ihr Kopftuch. Das darf sie künftig auch, wenn sie als Richterin bei einem Verfahren sitzen sollte.
Aquila S. trägt während der Verhandlung im Verwaltungsgericht Augsburg ihr Kopftuch. Das darf sie künftig auch, wenn sie als Richterin bei einem Verfahren sitzen sollte. © dpa

Für das Grundrecht

AZ-Redakteurin Rosemarie Vielreicher findet das Urteil richtig.

Rechtsreferendarinnen mit Kopftuch? Auf keinen Fall!, wettert da sofort das Justizministerium. Aber warum denn eigentlich nicht? Die Klägerin aus Augsburg ist doch der beste Beweis dafür, dass ihr Glaube nichts mit ihrer fachlichen Kompetenz zu tun hat.

Klar: Das Kopftuch gilt als ein Symbol der Unterdrückung von Frauen, als Abwertung, als Zeichen dafür, sich nicht in die abendländische Kultur integrieren zu wollen.

Aber: Junge Frauen wie die 25-Jährige haben in Deutschland Jura studiert, sie haben sich intensiv mit unserem Rechtssystem auseinandergesetzt. Die Klägerin kennt die Grundwerte und -rechte unserer Gesellschaft bestens – wie sie jetzt in diesem Verfahren beweist – und setzt sich bewusst und aufgeklärt für ihr Grundrecht ein. Von einer unterdrückten, voreingenommenen, nicht kompetenten Muslimin kann hier nicht die Rede sein. Und das ist doch letztendlich, was zählt: Was derjenige im Köpfchen hat, und nicht, was er auf dem Kopf trägt.

Lesen Sie hier: Das Augsburger Urteil

Gegen das Symbol

AZ-Redakteur Timo Lokoschat findet das Urteil falsch.

Das Kopftuch sei doch bloß „ein Stückchen Stoff“, heißt es gerne beschwichtigend. Wie ein Hut. Es gibt aber keine Richterin, die mit Hut urteilt und keine Lehrerin, die mit Hut unterrichtet. Sie nehmen die Kopfbedeckung ab. Weil sie nur ein Stückchen Stoff ist.

Bei einer Frau wie der Klägerin – übrigens: über 70 Prozent der Musliminnen in Deutschland tragen kein Kopftuch – ist dies etwas anderes. Sie meint, dieses Kleidungsstück tragen zu müssen, weil sie – wie die Ideologie des politischen Islam ihr einredet – als Frau mit ihrer Sexualität eine Gefahr für die Männer sei (die damit nebenbei zu potenziellen Triebtätern degradiert werden).

Das Gericht ist ein Ort weltanschaulicher Neutralität. Und das Kopftuch ist das Symbol für die Geschlechter-Apartheid, übt Druck auf all jene Frauen und Mädchen aus, die sich der Verhüllung aufgrund ihres Geschlechts verweigern. Es hat auf dem Kopf einer Richterin (oder Lehrerin) nichts zu suchen.

Und wo bleibt eigentlich gerade der Aufschrei der Leute, die vor wenigen Jahren das Kruzifix so vehement bekämpft haben?

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