Kontrollierte Kontroverse

In der Union eskalieren gleich an drei Fronten Konflikte – und werden in seltener Offenheit ausgetragen. „Er ist einer der Gründe, warum viele Menschen ein ungutes Gefühl haben“
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Er sucht mitten im Wahlkampf die Auseinandersetzung mit der Kanzlerin: CSU-Chef Horst Seehofer
dpa Er sucht mitten im Wahlkampf die Auseinandersetzung mit der Kanzlerin: CSU-Chef Horst Seehofer

BERLIN - In der Union eskalieren gleich an drei Fronten Konflikte – und werden in seltener Offenheit ausgetragen. „Er ist einer der Gründe, warum viele Menschen ein ungutes Gefühl haben“

Hauen und Stechen in der Union: Unmittelbar vor dem Besuch von CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der CSU-Landesgruppenklausur am Dienstagnachmittag in Kloster Banz hängt der Haussegen bei den Schwesterparteien heftig schief. Während die CDU-Chefin alles daran setzt, mit einer geschlossenen Truppe in den Wahlkampf zu ziehen, sucht Horst Seehofer in München lustvoll die kontrollierte Kontroverse. Resultat: 75 Tage vor der Wahl knirscht es in der Union an allen Ecken und Enden. Die AZ hat drei Zankäpfel unter die Lupe genommen.

Europapolitik: Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, Bundestag und Bundesrat mehr Rechte in der Europapolitik zu gewähren. Die CSU schlägt vor, dass beide Kammern des Parlaments künftig Stellungnahmen zu EU-Entscheidungen abgeben dürfen, die für die Regierung verbindlich sein müssten. Die CDU reagierte mit heller Panik auf den Vorstoß aus München: Parteichefin Merkel pochte darauf, dass das europapolitische Erbe Adenauers und Kohls nicht verscherbelt werden dürfe. CDU-Granden gifteten, die CSU wolle EU-Frustrierte mit populistischen Forderungen locken. Würden diese Pläne umgesetzt, verlöre Deutschland seine Handlungsfähigkeit und stehe in der EU isoliert da.

Hauptzielscheibe der CDU ist CSU-General Alexander Dobrindt, der sich seit Amtsantritt als Chef-Europaskeptiker inszeniert. Dobrindt habe von Brüssel offenbar „keine Ahnung“, lästerte der langjährige CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok – und erteilte Nachhilfe über den Lissabon-Vertrag, der längst mehr Rechte für das Parlament vorsehe: „Das hängt sicherlich damit zusammen, dass Herr Dobrindt auch dieses nicht weiß, wie er manches über Europa nicht weiß.“ Auch der Konter fiel eisig aus: „Die Ahnungslosigkeit liegt definitiv bei Herrn Brok“, sagte Dobrindt – und wurde persönlich: „Brok ist einer der Gründe, warum viele Menschen ein ungutes Gefühl im Bauch haben, wenn sie an Brüssel denken.“ Man habe es nicht eilig mit einem Gesetz, so Dobrindt: Für die CDU gelte es jetzt zu überlegen, wie sie sich mit der CSU-Position anfreunden könne.

Rentengarantie: CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sympathisiert mit den schweren Bedenken, die sein SPD-Kollege Peer Steinbrück über die Rentengarantie geäußert hat. Diese sieht vor, dass die Renten künftig auch dann nicht sinken, wenn die Löhne niedriger werden sollten. Er halte nichts von der Garantie, werde das aber öffentlich nicht sagen, sondern die offizielle CSU-Linie mittragen, sagte Guttenberg im Vorstand. Trotzdem gab’s einen Rüffel von CSU-Vize Barbara Stamm. Und der Chef der Senioren Union, Otto Wulff, tobt: „Wenn eine Entscheidung von allen getragen wird, soll man das einige Tage später nicht infrage stellen.“

Steuerpolitik: Während die CDU Steuersenkungen vage „für die nächste Legislaturperiode“ in Aussicht stellt und auf den desaströsen Haushalt hinweist, legt sich die CSU fest: 2011 und 2012 soll die Einkommensteuer in zwei Stufen gesenkt werden. Der als Freund klarer Worte bekannte sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) ist fassungslos: „Wir können doch keinen Termin nennen, von dem wir heute nicht sicher wissen, dass wir ihn einhalten können“.M. Jox

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