Konjunkturgipfel im Kanzleramt: Sprachlos in der Riesen-Krise
BERLIN/MÜNCHEN - Eine solche Rezession hat Deutschland noch nie erlebt. Die Prognosen für das Wachstum werden immer dramatischer. Doch der Konjunkturgipfel bei der Kanzlerin findet darauf keine Antwort.
Das passte zum Krisengipfel wie die Faust aufs Auge: Just als sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Kabinett mit Vertretern aus Firmen, Verbänden und Gewerkschaften traf, sickerte die neueste Prognose der führenden Wirtschaftsinstitute durch. Um sechs Prozent soll die deutsche Wirtschaft heuer schrumpfen. Der Internationale Währungsfonds erwartet minus 5,6 Prozent – und für 2010 nochmal minus 1 Prozent. Umso mehr wurde vom Spitzentreffen im Kanzleramt eine Antwort darauf erwartet, wie Regierung und Wirtschaft die drohende Massenarbeitslosigkeit verhindern können.
Was kam beim Gipfel raus? Gemessen an den Erwartungen: fast nichts. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Finanzminister Peer Steinbrück kündigten an: Die nächste Regierungsprognose werde bei mindestens minus fünf Prozent liegen. Und: Man wolle die Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik erweitern. Das könnte bedeuten: Kurzarbeitergeld wird länger als bisher gezahlt. Beschlüsse über neue Konjunkturspritzen gab’s aber keine.
Was haben die bisherigen zwei Konjunkturpakete gebracht? „Nur die Abwrackprämie hat schnell und überraschend stark gewirkt“, sagt Andreas Rees, Chefvolkswirt bei Unicredit. Die übrigen Maßnahmen bräuchten Zeit – vor allem die Investitionen in den Straßenbau und die Sanierung von Gebäuden oder Schulen (siehe Info). Rees rechnet damit, dass diese Effekte ab dem Sommer spürbar werden.
Reichen die Programme aus, um der Wirtschaft zu helfen? Sie können Deutschland aus der Rezession holen, sagen Experten. Für einen nachhaltigen Aufschwung reicht’s aber nicht. „Die Wirtschaftpolitik ist nicht allmächtig“, meint Volkswirt Rees. Wichtig sei, dass sich die Weltwirtschaft erhole: „Deutschland ist so exportabhängig – ohne weltweiten Aufschwung geht nichts.“
Wäre ein drittes Konjunkturpaket sinnvoll? Die Vertreter der Wirtschaft sind sich da einig: Es würde nichts bringen. Ein drittes Paket wäre ein „Irrweg“, heißt es beim Industrieverband BDI. Man müsse „ein bisschen Geduld“ haben. Gewerkschafts-Chef Michael Sommer fordert dagegen weitere 100 Millliarden für die Konjunktur. Andernfalls drohten Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen. Die Regierung winkt bislang ab – schon alleine, weil für ein weiteres Paket das Geld fehlt. <
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Was haben die Pakete bisher gebracht?
Rund 80 Milliarden Euro hat die Regierung bislang für ihre zwei Konjunkturpakete locker gemacht. Die wichtigsten Maßnahmen – und was sie bringen:
Abwrackprämie. Sie ist der Renner unter den Konjunkturspritzen und wurde sogar aufgestockt. Würden alle Maßnahmen so wirken, gäbe es keine Rezession.
Investionen in Verkehr, Bildung, Gebäudesanierung. Hier werden Straßen gebaut, Schulen oder Kliniken saniert. Experten halten das für ein wirksames Mittel. Doch es dauert, bis das Geld in den Kommunen ankommt. Erste Wirkungen spüre man schon, heißt es beim Städtetag. Handwerker hätten Aufträge auf dem Tisch. Das Baugewerbe klagt dagegen über Verzögerungen und will Vereinfachungen.
Billige Kredite für Firmen. Dafür stehen 40 Milliarden Euro zur Verfügung. Sie werden aber nur sehr zögerlich abgerufen. Die Anträge würden zu langsam bearbeitet, klagen die Firmen. Experten halten dagegen: Bei den allerwenigsten Firmen gebe es bislang eine Kreditklemme.
Entlastungen für die Bürger. Etwas weniger Steuern und geringere Beiträge zur Krankenkasse – das soll mehr Geld in die Taschen der Bürger bringen und den Konsum ankurbeln. Doch der Effekt dürfte nicht besonders groß sein. „Wenn die Arbeitslosigkeit steigt“, sagt Volkswirt Andreas Rees, „halten die Bürger ihr Geld lieber zusammen.“