Konferenz geht nach Ahmadinedschad-Eklat weiter
GENF - Die UN-Konferenz gegen Rassismus in Genf ist ungeachtet des Eklats durch den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad fortgesetzt worden. Im Mittelpunkt soll bis Freitag die Verabschiedung eines Abschlusspapiers stehen, auf das sich die Mehrheit der Teilnehmerstaaten geeinigt hat.
Die Nachfolgekonferenz des 2001 im südafrikanischen Durban begonnen Prozesses zum Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus dürfte nicht aufgegeben werden, erklärten erste Redner am Morgen. Mahmud Ahmadinedschad hatte gestern mit Vorwürfen, Israel sei ein rassistischer Staat, weltweite Empörung ausgelöst. Die USA und Deutschland nehmen an der Konferenz nicht teil.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warf Mahmud Ahmadinedschad vor, das Treffen für eine Diskriminierung Israels missbraucht zu haben. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy sprach von einer «Hassrede». Die US-Regierung forderte Mahmud Ahmadinedschad auf, seine «aufhetzerische Rhetorik» zu beenden. Der iranische Präsident hatte Israel mit Blick auf die Palästinenser als barbarisches und rassistisches Regime bezeichnet. Vertreter der EU hatten daraufhin das Plenum der Konferenz verlassen. Mehrere Länder, darunter die USA und Deutschland, hatten sich von vornherein für ein Fernbleiben entschieden.
Israels Präsident Schimon Peres bezeichnete die UN-Konferenz am Montagabend bei einer Rede zum Holocaust-Gedenktag als «Schande». Diese akzeptiere Rassismus eher als sie ihn bekämpfe. In der Gedenkstätte Jad Vaschem warf Peres Mahmud Ahmadinedschad vor, den Holocaust zu leugnen und zur Beseitigung Israels aufzurufen.
Neben den USA und Deutschland hatten auch Italien, Polen und die Niederlande ihre Teilnahme abgesagt, da sie befürchtet hatten, dass die Genfer Konferenz zu einem Podium anti-israelischer Erklärungen werden könnten. Später brach auch Tschechien seine Teilnahme ab.
"Der personifizierte Rassismus"
Mahmud Ahmadinedschad sprach vor den Delegierten von einer «völlig rassistischen Regierung» Israels, die die besetzten palästinensischen Gebiete beherrsche. Durch den «barbarischen Rassismus» sei eine ganze Nation heimatlos geworden, so Mahmud Ahmadinedschad mit Bezug auf Palästina. «Zionisten» und ihre Verbündeten hätten zudem den Krieg im Irak geplant. Der Zionismus sei der «personifizierte Rassismus».
Während mehrere EU-Diplomaten den Saal verließen, applaudierten andere Teilnehmer der Konferenz Mahmud Ahmadinedschad. UN-Generalsekretär Ban verurteilte die Rede. «Das ist das Gegenteil dessen, was diese Konferenz erreichen will», sagte er. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, wies die Anschuldigungen Mahmud Ahmadinedschad ebenfalls zurück. Sie sei «geschockt und zutiefst traurig» über die Rede.
Der Vortrag Mahmud Ahmadinedschad sei ein nicht tolerierbarer Aufruf zu rassistischem Hass gewesen, erklärte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Der iranische Präsident verhöhne die Ideale und Werte der Menschenrechtserklärung. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Robert Wood, bezeichnete Mahmud Ahmadinedschad Äußerungen als «nicht hinnehmbar». Sie trügen nur dazu bei, rassistischen Hass weiter anzustacheln. Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, sprach von einer «hasserfüllten Rhetorik».
Zu Beginn der Konferenz war der Boykott Deutschlands und der USA scharf kritisiert worden. «Ich bedauere zutiefst, dass einige sich entschlossen haben, beiseite zu treten», sagte Ban in seiner Eröffnungsansprache. «Wir träumen davon, in eine neue Richtung zu gehen, jedoch bleiben zu viele von uns in der Vergangenheit verstrickt.»
Russland verurteilte den Boykott. Offenbar seien nicht alle Regierungen bereit, sich den wachsenden Herausforderungen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung zu stellen, sagte der russische Vize-Außenminister Alexander Jakowenko der Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta». Auch aus Österreich kam Kritik. Das Fernbleiben Deutschlands, Italiens, Polens und der Niederlande sei «kein Stärkezeichen der EU», sagte Außenminister Michael Spindelegger.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wies Kritik an der uneinheitlichen Haltung der EU zurück. «Das ist weiß Gott keine Spaltung Europas in entscheidenden politisch-strategischen Fragen», sagte er nach einem Treffen mit dem italienischen Außenminister Franco Frattini in Berlin. Dieser betonte, alle EU-Staaten seien sich in der Verurteilung von Rassismus einig.
Deutschland hält sich allerdings die Möglichkeit offen, doch noch in die Beratungen bei der Konferenz einzusteigen. Die Bundesregierung werde das Treffen in den kommenden Tagen beobachten, sagte Vize- Regierungssprecher Thomas Steg. «Wenn sich ein positiver Ablauf abzeichnet, haben wir uns vorbehalten, in die Schlussdiskussion einzusteigen.» Mit dem Boykott nimmt Deutschland erstmals seit der Aufnahme in die Vereinten Nationen 1973 nicht an einer großen UN- Konferenz teil.
Die in Genf teilnehmenden EU-Staaten wollen in der Abschlusserklärung keine Verurteilung einzelner Staaten, Religionen oder antisemitische Äußerungen dulden. Im Entwurf für die Schlusserklärung seien die «roten Linien» der EU gewahrt geblieben. «Wir wissen, dass der Text nicht ideal ist», sagte die Sprecherin der EU-Kommission, Christiane Hohmann.
Die Teilnahme des iranischen Präsidenten an der Konferenz hatte schon vor deren Beginn für einen ersten diplomatischen Eklat gesorgt. Israel rief seinen Botschafter aus der Schweiz zu Beratungen zurück, nachdem Mahmud Ahmadinedschad am Vorabend vom Schweizer Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz empfangen worden war.