Kommission: Philipp und die sieben Zwerge

Die Gesundheitsreform-Kommission ist gestartet. Für Minister Philipp Rösler beginnt eine schwierige Mission – wie viel Pauschale kann er durchsetzen? Und was heißt das für den Versicherten?
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Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler
dpa Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler

BERLIN - Die Gesundheitsreform-Kommission ist gestartet. Für Minister Philipp Rösler beginnt eine schwierige Mission – wie viel Pauschale kann er durchsetzen? Und was heißt das für den Versicherten?

Wie viel zahlen wir künftig für unsere Gesundheit? Und wer zahlt wie viel davon – der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, der Reiche, der Arme? Wer setzt sich durch: die FDP oder die CSU? Auf wessen Kosten? Kommt die Kopfpauschale? Gestern hatte die große Gesundheitsreformkommission ihre erste Sitzung: Sie soll all diese Fragen klären.

Wer ist da drin? In Berlin wird schon über „Philipp und die sieben Zwerge“ gespottet: Gesundheitsminister Rösler ist der Chef, dazu kommen weitere sieben Minister. Das „Zwerge“ bezieht sich auf das eher geringe Fachwissen. Über die Anwesenheit von Innenminister Thomas de Maizière wird gelästert, womöglich würden bei zu hohen Beiträgen Ausschreitungen befürchtet. Agrarministerin Ilse Aigner ist im Wesentlichen als CSU-Vertreterin dabei.

Was will der Minister? Die Einführung einer Kopfpauschale mit Sozialausgleich – seine Mitstreiter sind allerdings derzeit recht leise geworden. Als Einstieg schwebt ihm eine Pauschale von 29 Euro vor. Das würde fünf Milliarden Euro kosten – für den Sozialausgleich. Diese Summe ist aber viel zu gering für eine komplette Umstellung: Wenn die Pauschale die bisherigen Arbeitnehmerbeiträge ersetzt, müsste sie derzeit 144 Euro betragen. Das kostet dann rund 35 Milliarden. Die niedrigere Summe von fünf Milliarden wird derzeit von allen Seiten instrumentalisiert: Rösler suggeriert, dass das alles doch gar nicht so teuer ist. Kritiker wie SPD-Chef Sigmar Gabriel werfen ihm vor, sie belege, dass er radikal Leistungen kürzen wolle, um den privaten Kassen Kunden zuzutreiben.

Was bedeutet das für den Versicherten? Die kleine Kopfpauschale von 29 Euro ist ein erster Testballon. Im Gegenzug will Rösler den Arbeitnehmern 0,9 Prozentpunkte ihres Beitrags erlassen. Wer jetzt exakt 3222,22 Euro brutto im Monat verdient, für den ändert sich nichts: Bei ihm entsprechen 0,9 Prozentpunkte genau den 29 Euro. Wer besser verdient, wird entlastet – wegen der Beitragsbemessungsgrenze um maximal 4,75 Euro. Wer weniger verdient, zahlt drauf, weil die 0,9 Prozent bisher weniger als 29 Euro ausmachen. Bei einem Brutto-Verdienst von 1000 Euro sind 20 Euro im Monat mehr zu berappen. Dies soll aus Steuermitteln ausgeglichen werden. Die große Frage ist noch, wie bürokratisch oder wie unkompliziert der Ausgleich organisiert wird.

Wie sind die politischen Fronten? Die großen Feinde heißen FDP und CSU. Vor einigen Wochen wurde eine Art Waffenstillstand bis zur NRW-Wahl vereinbart, doch die ist schon wieder dahin. Die Tonlage war auch gestern zum Auftakt der Kommission eher schrill. Gesundheitsminister Markus Söder sieht den Sozialstaat in Gefahr; seine Partei kündigte einen Total-Widerstand an. Die FDP dagegen warnt vor dem Zusammenbrechen des bisherigen Systems, die CDU laviert in der Mitte. Sie signalisiert verhaltene Unterstützung für Röslers Pläne.

Was kann also kommen? Die volle Pauschale ist für diese Legislaturperiode vom Tisch, auch wenn es noch niemand zugibt. Klar ist aber, dass CDU und FDP die Beiträge mittelfristig vom Lohn entkoppeln wollen. Denkbar wäre ein „behutsamer“ Übergang (Rösler), eine „Evolution statt Revolution“ (Merkel): Jährlich wird ein immer größerer Teil der Prozentpunkte in einen Euro-Betrag umgewandelt. Die Arbeitgeberbeiträge sollen eingefroren werden. Allerdings steigen damit die Kosten für den Staat immer weiter: Steuererhöhungen wären unausweichlich. Die Union macht deswegen Druck: Die FDP müsse sich nun entscheiden – entweder Steuersenkung wie immer gefordert oder Steuererhöhung für die Pauschale. Beides gehe nunmal nicht. Anja Timmermann

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