Kommentar: An die Wand gefahren

Kein Mensch und kein Land auf der Welt ist scharf auf eine veraltete Technik, die mit absurd hohen Kosten verbunden ist. Die CSU ist in Sachen Transrapid stur geblieben – und dafür bekommt sie nun die Quittung.
Für mindestens eine Berufsgruppe ist das Scheitern des Transrapid-Projekts richtig ärgerlich: für Journalisten und Leitartikler. Sie verlieren einen Dauerbrenner, der immer für einen knallharten Kommentar oder eine Bürger-Umfrage gut war, wenn sonst tote Hose herrschte. Und jetzt? Nie mehr schöne Wortspiele à la „Transrapid in der Schwebe“, keine Witzeleien mehr im Stil von „Mit Tempo 400 in die Pleite“. Passend ist jetzt höchstens noch: „Der Zug ist abgefahren.“
Dafür gibt es ein neues, auch recht ergiebiges Thema: Die Nöte der CSU nach dem Debakel. Die ohnehin angeschlagene Partei wird erklären müssen, warum sie noch vor einem halben Jahr mit Triumphgeheul den „endgültigen Durchbruch“ beim Transrapid verkündet hat, um nun ratlos zusehen zu müssen, wie ihr Spitzenmann Günther Beckstein das Projekt in Berlin sang- und klanglos beerdigt.
Keine Überraschung
Für die CSU-Führung ist das eine erneute Pleite, die ihre Beliebtheit bei den Wählern, vor allem aber innerhalb der Partei im, nun ja, Transrapid-Tempo nach unten befördern wird. Dabei ist es ja nicht so, dass irgendjemand vom Scheitern dieses Wahnwitz-Unternehmens überrascht wäre. Dass die veranschlagten 1,8 Milliarden Kosten nicht reichen würden, räumte jeder Experte unumwunden ein, mit dem man sich über das Projekt unterhielt.
Mit Ausnahme des Münchner Flughafenchefs, der ohne Transrapid das Ende der mobilen Welt heraufziehen sieht. Und natürlich der CSU (allen voran Edmund Stoiber), die sich Wunderdinge von dem Magnetzug erträumte. Ein falsch verstandener Fortschritts- und Modernitätsglauben offenbarte sich da, der ohne Rücksicht auf die Realität alles für großartig hält, was vermeintlich „innovativ“ ist und dem Industriestandort Deutschland nützt.
Technologie von gestern
In Wirklichkeit braucht den Transrapid niemand. Eine Technologie von gestern, die bestenfalls für Langstrecken geeignet ist, aber als Turbo-S-Bahn auf den wenigen Kilometern zwischen Hauptbahnhof und Flughafen ihre Stärken überhaupt nicht ausspielen kann. Und für die längeren Strecken gibt es längst moderne Hochgeschwindigkeitszüge. Kein Mensch und kein Land auf der Welt ist scharf auf eine veraltete Technik, die mit absurd hohen Kosten verbunden ist. Wozu soll also eine Referenzstrecke gut sein?
All diese Argumente kennt nicht nur Günther Beckstein seit langem, und natürlich sind jetzt viele Politiker glücklich, dass sie die Schuld am Scheitern des Transrapids auf die Industrie abwälzen können – obwohl sie selbst heilfroh darüber sind. Der Münchner SPD-Chef Franz Maget und andere Gegner des Projekts sollten sich mit ihrer Häme trotzdem ein wenig zurückhalten. Es ist nicht lange her, da schwärmten sie selbst noch von der faszninierenden Magnetbahn-Technik. Irgendwann haben sie sich allerdings eines Besseren besonnen. Die CSU ist stur geblieben – und dafür bekommt sie nun die Quittung.
Arno Makowsky
Chefredakteur der Abendzeitung