Verhandlungen abgeschlossen: Das steht im Koalitionsvertrag

Union und SPD haben sich viel vorgenommen für die nächsten vier Jahre. Einiges war schon aus der Sondierung bekannt, einige neue Akzente setzt nun der Koalitionsvertrag.
AZ/dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
1  Kommentar
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Markus Söder, (CSU), Ministerpräsident von Bayern und CSU Vorsitzender, Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil, SPD-Fraktions- und Bundesvorsitzender, und Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende. Sie führten die Koalitionsgespräche miteinander.
Markus Söder, (CSU), Ministerpräsident von Bayern und CSU Vorsitzender, Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil, SPD-Fraktions- und Bundesvorsitzender, und Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende. Sie führten die Koalitionsgespräche miteinander. © Kay Nietfeld (dpa)

Berlin – Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auf einen ganzen Katalog von Vorhaben für die nächsten vier Jahre geeinigt und die Ergebnisse in einer gemeinsamen Pressekonferenz der Parteivorsitzenden Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU) sowie Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) vorgestellt. Allerdings müssen die Gremien der künftigen Regierungsparteien dem Programm noch zustimmen. Und alles steht nach den Worten von SPD-Chef Lars Klingbeil unter dem Vorbehalt, dass es auch finanziert werden kann. Ein Überblick: 

Das sind die zentralen Punkte im Koalitionsvertrag: Steuern und Entlastung

Die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen soll gesenkt werden, und zwar in etwa zwei Jahren. Der umstrittene Solidaritätszuschlag bleibt wie bisher für einkommensstarke Bürger und Unternehmen. 

Die Pendlerpauschale ab 2026 soll schon ab dem ersten Kilometer bei 38 Cent liegen. Das Deutschlandticket für den Nahverkehr soll nach 2025 erhalten bleiben. Nutzer müssen sich von 2029 an auf Preiserhöhungen einstellen.
Derzeit kostet das Deutschlandticket 58 Euro im Monat.

Zur Entlastung von Unternehmen sollen zuerst steuerliche Abschreibungsregeln angepasst werden. Für 2025, 2026 und 2027 soll auf Ausrüstungsinvestitionen eine degressive Abschreibung von 30 Prozent gelten. Danach soll ab 2028 die Körperschaftsteuer schrittweise sinken. Zur Entlastung der Wirtschaft ist auch geplant, das deutsche Lieferkettengesetz abzuschaffen. Stattdessen soll die EU-Lieferkettenrichtlinie mit wenig Bürokratie umgesetzt werden. 

Haushalt: Die Koalition will sparen

Die Koalition will sparen. In der Bundesverwaltung sollen in vier Jahren acht Prozent der Stellen abgebaut werden – mit einer Ausnahme für Sicherheitsbehörden. Es soll nur noch halb so viele Beauftragte des Bundes geben. Bei Förderprogrammen und Beiträgen für internationale Organisationen soll insgesamt eine Milliarde Euro eingespart werden. 

Kommunen mit erdrückenden Altschulden will man unter die Arme greifen. Der Bund soll 250 Millionen Euro pro Jahr zu Entschuldungsmaßnahmen der Länder beisteuern. Damit soll sich der Bund zur Hälfte beteiligen, wenn Länder übermäßige Kassenkredite ihrer Kommunen übernehmen.

Migration: Asylrecht soll erhalten bleiben

Es bleibt bei der Ansage aus den Sondierungsgesprächen: "Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen." Es sollten alle rechtsstaatlichen Maßnahmen gegen irreguläre Migration greifen. Das Asylrecht bleibe aber erhalten.

Die von der Ampel-Regierung beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders gut integrierte Zuwanderer soll wieder abgeschafft werden. Die Wartefrist für normale Einbürgerungen soll bei fünf Jahren bleiben, ebenso die Erlaubnis für den Doppelpass. Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sollen zwei Jahre lang keine Familienangehörigen mehr nach Deutschland holen dürfen.

Heizungsgesetz, Industriestrompreis und Rente

Das Heizungsgesetz wollen die künftigen Koalitionäre streichen. Ein neues Gebäudeenergiegesetz solle «technologieoffener, flexibler und einfacher» werden. Energieintensive Unternehmen sollen mit einem Industriestrompreis entlastet werden. 

Das heutige Rentenniveau von 48 Prozent soll bis 2031 gesetzlich festschreiben werden. Die Kosten dafür sollen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Die Mütterrente soll mit drei Rentenpunkten für alle gelten, unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder. Auch das soll aus der Steuerkasse gezahlt werden.

Bürgergeld, Arbeit und Bildung

Die Bedingungen für das bisherige Bürgergeld sollen verschärft werden, also auch Mitwirkungspflichten im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern. Im Extremfall soll ein «vollständiger Leistungsentzug» möglich sein, wenn Menschen immer wieder zumutbare Arbeit ablehnen. Die Leistung soll künftig "Grundsicherung für Arbeitssuchende" heißen. 

Statt des üblichen Acht-Stunden-Tags könnte es künftig einen wöchentlichen Rahmen für die Arbeitszeit geben. Das Vorhaben soll in Absprache mit Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgestaltet werden. Für nächstes Jahr wird ein Mindestlohn von 15 Euro in der Stunde angepeilt. 

Das Bafög soll nächstes Jahr erhöht werden. Die im Bafög enthaltene Wohnkostenpauschale für Studierende, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, soll von derzeit 380 auf 440 Euro im Monat angehoben werden.

Angesichts schlechter Lese-, Schreib- und Rechenleistungen bei Grundschülern planen Union und SPD eine bundesweite Pflicht für Sprach- und Entwicklungstests bei Vierjährigen. 

Sicherheit und Eltern

Die künftigen Regierungspartner wollen ein "auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell» für die Bundeswehr. Dafür sollen eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung geschaffen werden.  Verabredet wurde auch die Gründung eines Nationalen Sicherheitsrats, der Informationen über Krisenlagen bündeln und schnellere Entscheidungen ermöglichen soll. Für die innere Sicherheit sollen Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, IP-Adressen für mögliche Ermittlungen drei Monate lang zu speichern. 

Künftige Eltern können auf ein höheres Elterngeld hoffen – sowohl der Mindestsatz von derzeit 300 Euro als auch der Höchstsatz von 1.800 Euro sollen angehoben werden. Union und SPD wollen zudem für selbstständige Frauen, die ein Kind zur Welt bringen, einen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschutz schaffen. 

Einkaufen, Cannabis und Corona-Aufarbeitung

EinkaufenAuch in kleinen Geschäften soll man künftig ohne Bargeld zahlen können. "Schrittweise" solle überall mindestens eine digitale Zahlungsoption angeboten werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Zugleich soll die verpflichtende Ausgabe von Kassenbons abgeschafft werden.

Die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene soll überprüft werden – das aber ergebnisoffen.

Die staatlichen Maßnahmen gegen die Coronapandemie sollen aufgearbeitet werden. Dazu soll es eine Enquete-Kommission geben.

Einigung über Verteilung der Ministerien

Neben den inhaltlichen Fragen legten die künftigen Koalitionspartner auch bereits die Verteilung der Ministerien fest. Die CDU soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen erstmals seit fast 60 Jahren wieder das Außenministerium übernehmen. Finanzministerium und Verteidigungsministerium sollen von der SPD geführt werden. Das Innenministerium geht an die Union. Zuvor hatten "Politico" und "Bild" darüber berichtet.

Die Koalitionsverhandlungen hatten am 13. März begonnen, drei Wochen nach der Bundestagswahl am 23. Februar. Zuvor hatten sich Union und SPD in Sondierungsgesprächen bereits auf ein elfseitiges Eckpunktepapier verständigt, das unter anderem die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung und ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen vor allem in die Infrastruktur vorsah. Am Dienstag hatten die Unterhändler rund 13 Stunden lang in verschiedenen Runden mit unterschiedlicher Zusammensetzung um Kompromisse gerungen. Die finale Einigung blieb aber noch aus.

Turbulenzen der Weltwirtschaft erhöhen Einigungsdruck

Nicht zuletzt die internationale Lage und die Zollpolitik der US-Regierung von Präsident Donald Trump setzten die Verhandler unter zusätzlichen Einigungsdruck. Experten sehen wegen der US-Zölle neue Rezessionsgefahren und Probleme für die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Mit sinkenden Unternehmenssteuern, weniger Bürokratie und geringeren Energiepreisen will der voraussichtliche neue Kanzler Merz dagegenhalten.

Keine Alternative zu einer neuen schwarz-roten Koalition

Eine Alternative zu einem Regierungsbündnis aus Union und SPD gibt es faktisch nicht, weil Schwarz-Grün keine Mehrheit hätte und eine Zusammenarbeit mit der AfD von der Union klar ausgeschlossen wird. 

Regierungsbildung vor Ostern nicht mehr realistisch 

Merz hatte ursprünglich das Ziel ausgegeben, bis Ostern eine Regierung zu bilden. Das ist inzwischen nicht mehr zu erreichen. Als mögliches Datum für die Kanzlerwahl steht nun der 7. Mai im Raum. Dobrindt verwies auf die Dauer des SPD-Mitgliederentscheids und ging von einem "Zeitpunkt Anfang Mai" für die Kanzlerwahl aus.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
1 Kommentar
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Da Ding am 09.04.2025 17:48 Uhr / Bewertung:

    Das Gebäudeenergiegesetz wird gestrichen und durch ein Gebäudeenergiegesetz ersetzt.
    Dass ist natürlich großartig.
    Hat sich Peter Altmaier (csu) schon dazu geäußert, dass sein Gebäudeenergiegesetz durch ein Gebäudeenergiegesetz ersetzt wird?

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.