Koalitionsvertrag: Keine Richtung
Der AZ-Chefreporter Matthias Maus über den zweiten Blick auf den Koalitionsvertrag.
München - Hinterm Schleier des Schlafmangels waren sie vielleicht wirklich stolz. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer sonnten sich im Glanz der Einigung. Aber jetzt, wo alle wieder ausgeschlafen sind, kann man ja mal genauer hinschauen beim Koalitionsvertrag. Und siehe da: Es gibt es keinen wirklichen Grund zur Zuversicht für die nächsten vier Jahre. Es ist eine Sache, dass man sich im Zwang zum Kompromiss auf gefühlt zehntausend Prüfaufträge geeinigt hat, dass sich die ungleichen Partner in Formelkompromisse flüchten, wo die Ansichten komplett unterschiedlich sind. Viel ärgerlicher sind die Schwerpunkte, die im Vertrag eben nicht gesetzt werden.
In den plausiblen Teilen von Sonntagsreden ist immer die Rede vom Geist der Menschen, der unser „einziger Rohstoff“ sei. Wohl wahr. Warum dann, um Himmels willen, macht sich die Koalition in der Bildungspolitik mit ihrer satten Mehrheit nicht an den „Idiotenparagraphen“, der dem Bund die Zusammenarbeit mit den Ländern in Bildungsfragen verbietet – ja: verbietet?
Noch ein Beispiel: Bei der Energiewende schaut uns die ganze Welt zu. Im Koalitionsvertrag werden selbst die eklatantesten Fehlentwicklungen und Ungerechtigkeiten mehr vernuschelt als benannt.
Es geht nicht um konkrete Rezepte in einem Koalitionsvertrag. Aber Mut, eine Richtung, ein paar Projekte, die darf man schon erwarten. Und diese Chance haben die großen Meister verschlafen.
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