"Koalitions-Marathon": Motzen, lästern, drohen

Im Verhandlungs-Marathon nennt Wulff die FDP „unseriös“, und Westerwelle keift zurück. Noch immer ist offen, woher die Milliarden für die Gesundheits- und Finanzpolitik kommen sollen
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Verschnupfte Stimmung am Wochenende in Berlin: Kanzlerin Angela Merkel und die Ihren ( Roland Koch, l. und Christian Wulff M.) beim verkrampften Treffen mit FDP-Chef Guido Westerwelle (r.).
dpa Verschnupfte Stimmung am Wochenende in Berlin: Kanzlerin Angela Merkel und die Ihren ( Roland Koch, l. und Christian Wulff M.) beim verkrampften Treffen mit FDP-Chef Guido Westerwelle (r.).

Im Verhandlungs-Marathon nennt Wulff die FDP „unseriös“, und Westerwelle keift zurück. Noch immer ist offen, woher die Milliarden für die Gesundheits- und Finanzpolitik kommen sollen

Im Beichtstuhl gab’s gut zu futtern: Bei Kaninchen mit Serviettenknödel rangen die Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP am Sonntag ein Einzelgesprächen mit den Fachexperten darum, den gordischen Knoten bei der Finanz- und Gesundheitspolitik zu durchschlagen. Öffentlich gaben sich die Koalitionsverhandler optimistisch: „Gut Ding will Weile haben“, floskelte FDP-Chef Guido Westerwelle. Sein CSU-Kollege Horst Seehofer metapherte: „Ich sehe das Gipfelkreuz und sehe den Weg bis dahin.“ Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg pries die „sehr sehr gute Atmosphäre“. Und FDP-General Dirk Niebel wusste: „Jetzt beginnt die Mund-zu-Mund-Beatmung.“

Eine abschließende Einigung wird gleichwohl nicht vor Mittwoch erwartet, wenn die Runde der 27 schwarz-gelben Großkopferten wieder zusammentritt. Dann muss Schwarz-Gelb den Bürgern auch reinen Wein einschenken, was die Gegenfinanzierung milliardenschwere Steuersenkungen angeht. Bis dahin sind „alle Bälle in der Luft“, sagte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. In den zentralen Streitfragen müssten am Ende sowieso die „großen Drei“ entscheiden.

Am Samstag hatte es bei den Verhandlungen erstmals richtig gescheppert. Mehrere Teilnehmer berichteten von einem Schlagabtausch über die Steuerpolitik, bei dem CDU-Vize Christian Wulff die Liberalen frontal angegangen sei. Die FDP-Forderungen nach Steuersenkungen in Höhe von 35 Milliarden Euro und deren Gegenfinanzierung seien „in hohem Maß unseriös“, „realitätsfern“ und ein „finanzpolitischer Blindflug“, soll sich Wulff erregt haben. Er werde ein solches Programm „als Ministerpräsident Niedersachsens im Bundesrat nicht mittragen“. FDP-Chef Guido Westerwelle ließ das nicht auf sich sitzen: „Ich hoffe, dass das nicht die Haltung der CDU ist. Wenn das so wäre, wären wir jetzt durch“, soll er geantwortet haben. Die Nachfrage von Unionsfraktionschef Volker Kauder „Was heißt ,durch'?“ habe Westerwelle so beantwortet: „Das wäre eine Klippe, über die zwei von drei Parteien hier nicht springen würden." Laut Augenzeugen nickte CSU-Chef Horst Seehofer dazu demonstrativ.

Hinterher versuchten die Vorsitzenden den Eklat herunterzuspielen: Sie sei überzeugt davon, sich auf die Ministerpräsidenten der Union verlassen zu können, sagte Merkel. Und Seehofer brummte: „Was für manche schon ein Schlagabtausch ist, ist für mich eine normale Diskussion.“ Auseinandersetzungen gehörten zur Einigung hinzu. Inoffiziell wurde in Teilnehmerkreisen getuschelt, Merkels parteiinterner Rivale Wulff habe sich nur profilieren wollen, um im Falle eines Scheiterns der Steuerreform sagen zu können: „Ich habe es ja immer gewusst.“

Das Ausplaudern angeblicher Interna gehört zu den üblichen Machtspielchen während Koalitionsverhandlungen. Wie angespannt die Stimmung hinter verschlossenen Türen derzeit ist, verriet aber die Äußerung eines Fachpolitikers. In seiner Arbeitsgruppe sei auf höherem Niveau diskutiert worden als in der großen Runde, lästerte er: „Dort sitzen mürrische alte Männer, die zu allem ,Nein’ sagen.“

Markus Jox

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