Koalition streitet weiter um Euro-Kurs
Die schwarz-gelbe Koalition streitet weiter um die richtigen Schlüsse aus der Euro-Krise und den künftigen Kurs in der Europapolitik. Griechenlands Pleite hilft dabei kaum weiter.
Berlin - Die Debatte dürfte noch dadurch befeuert werden, dass Griechenland das für dieses Jahr gesteckte Sparziel verfehlen wird.
Für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat der Nationalstaat sein Regelungsmonopol verloren. Die Schulden-Krise zeige, dass "mehr und nicht weniger Europa" notwendig sei, sagte er. Führende CSU-Politiker lehnen weitere Kompetenzverlagerungen nach Brüssel aber strikt ab und warnten vor einer Art Vereinigter Staaten von Europa. Aus der FDP kam Unterstützung für Schäubles europapolitische Überlegungen.
Griechenland kann sein Defizit nicht - wie mit EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) verabredet - auf 7,6 Prozent drücken, gab das griechische Finanzministerium am Sonntagabend bekannt. Stattdessen würden 8,5 Prozent erwartet. Ursache sei der Konjunktureinbruch von 5,5 Prozent. Die neuen Sorgen um Griechenland belasteten den deutschen Aktienmarkt am Montag im Feiertagshandel. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs hält Griechenland trotz aller Hilfen für zahlungsunfähig. "Wahrscheinlich wird es nicht anders gehen, als dass wir Athen mindestens 50 Prozent seiner Schulden erlassen", sagte Fuchs der "Rheinischen Post" (Montag).
Schäuble bekräftigte am Sonntagabend bei einem Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt am Main, am Ende des Prozesses stünden nicht die Vereinigten Staaten von Europa, aber eine politische Union. "Keiner will den europäischen Superstaat. Deshalb brauchen wir etwas Neues". Das jetzige Prinzip der EU, dass sich die Regierungen untereinander einigen, werde "auf Dauer nicht reichen". Er sprach sich bei solchen Entscheidungen für mehr demokratische Legitimierung aus, und zwar durch rechtlich verfasste Institutionen, "auch auf der Ebene der Europäischen Union oder der Euro-Zone".
CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigte in der "Welt am Sonntag", Bayern sei bereit, die jüngsten Beschlüsse zur Ausweitung des Rettungsschirms EFSF mitzutragen. "Aber den Weg zu Vereinigten Staaten von Europa werden wir nicht einschlagen." Innenminister Friedrich zog im "Spiegel" Schäubles Argumentation in Zweifel. Der wachsenden Euro-Skepsis könne man "nicht dadurch begegnen, dass die durch das Volk gewählten nationalen Parlamente und Regierungen noch weiter entmachtet werden".
Euro-Krise und künftige Europapolitik sind auch Themen des CSU-Parteitags am kommenden Wochenende. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt unterstrich im Deutschlandfunk (Sonntag), Griechenland könne seine Volkswirtschaft möglicherweise leichter außerhalb als innerhalb der Euro-Zone restrukturieren. Anders als die CSU lobte FDP- Fraktionschef Rainer Brüderle Schäuble im "Tagesspiegel am Sonntag" als "ehrenwerten Politiker, der mit viel Umsicht und politischem Weitblick die europäische Sache vorantreibt".
Die CDU-Vizevorsitzende Ursula von der Leyen sieht erheblichen Handlungsbedarf in Europa und erwartet harte Auseinandersetzungen. In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" sagte sie, angesichts der Bedeutung des Themas sei es "schon wichtig, dass man auch in der ganzen Breite diskutiert, schonungslos offen". Nach ihrer Einschätzung gibt es angesichts der Euro-Schuldenkrise große Einigkeit über die Notwendigkeit von mehr europäischer Integration.
Als Konsequenz aus der Krise wird unter anderem eine engere Verzahnung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Staaten diskutiert. Wie dies aber genau ausgestaltet werden könnte, ist offen. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europa- Parlament, Martin Schulz, plädierte in der Zeitung "Das Parlament" für "eine schlagkräftige Wirtschaftsregierung", die bei der EU- Kommission angesiedelt und vom europäischen Parlament kontrolliert werden solle. Die von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vorgeschlagene Wirtschaftsregierung als halbjähriges Treffen der Regierungschefs reiche nicht aus.
SPD und Grüne sprachen sich unterdessen für eine Art europäische Treuhand aus, die den Verkauf griechischen Staatsvermögens zu einem angemessenen Preis garantieren soll. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der dpa, die Idee, griechisches Staatsvermögen wie Autobahnen, Häfen oder Flughäfen über eine Holding zusammenzufassen und dann unter europäischer Aufsicht zu verkaufen, könne "Ruhe reinbringen in den Verkauf des Staatsbesitzes". Er sieht eine solche Treuhandanstalt unter Aufsicht von EU-Kommission und -Parlament.