Koalition bangt um klare Rettungsschirm-Mehrheit
Berlin - Die schwarz-gelbe Koalition muss weiter um eine klare eigene Mehrheit für die Stärkung des Euro-Rettungsfonds EFSF bangen.
In der FDP wird bei der Abstimmung an diesem Donnerstag mit weniger als fünf Abweichlern gerechnet. In dem Fall würde die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit knapp erreicht.
Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) bemühten sich, die wachsende Nervosität in der Koalition einzudämmen. Schäuble und Regierungssprecher Steffen Seibert wiesen Spekulationen über eine nochmalige Ausweitung des EFSF-Fonds zurück.
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou betonte in Berlin, seine Regierung stehe zu ihren Zusagen, um die nächste Hilfszahlung von 8 Milliarden Euro der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu bekommen. "Ich kann garantieren: Griechenland wird alle Verpflichtungen erfüllen", sagte er in einer Rede auf dem Tag der Deutschen Industrie. Am Abend wollten Merkel und Papandreou über die Krise beraten.
Der Bundestag stimmt an diesem Donnerstag über die Stärkung des EFSF-Fonds ab. Er erhält neue Instrumente. Zugleich soll der Garantierahmen auf 780 Milliarden Euro erhöht werden, damit der Fonds tatsächlich Notkredite von 440 Milliarden ausreichen kann. Eine Mehrheit gilt als sicher, da auch SPD und Grüne Zustimmung signalisiert haben. Die eigene schwarz-gelbe Mehrheit wackelt aber.
Bei einem Stimmungstest in der Union zur EFSF-Reform waren am Dienstag elf Abgeordnete dagegen, zwei enthielten sich. Der Kritiker Wolfgang Bosbach (CDU), der ein Nein angekündigt hatte, hatte nicht teilgenommen. Damit hat sich die Zahl der Abweichler bei CDU/CSU im Vergleich zu Anfang September nur wenig verringert.
Die FDP wollte keine Probeabstimmung machen. FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler hatte die FDP den Stabilitätsanker genannt. Er rechne mit nur sehr wenigen Abweichlern. Anfang September gab es in der FDP-Fraktion 2 Nein-Sager und 4 Abgeordnete, die sich enthielten. Schäuble warb am Nachmittag bei der FDP um Zustimmung.
Schäuble beteuerte, es sei keine nochmalige Ausweitung des Euro-Rettungsfonds EFSF über das bisher vereinbarte Kreditvolumen von 440 Milliarden Euro hinaus geplant. Eine weitere Aufstockung wäre eine "dumme Idee", da dann einige Euro-Länder ihre Bestnote bei der Kreditwürdigkeit ("AAA") verlieren würden: "Das macht keinen Sinn." Er hoffe auch, dass EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ein weiser Mann sein werde bei seiner Rede vor dem EU-Parlament und nicht für zusätzliche Unruhe sorge.
Hintergrund sind Spekulationen, die Schlagkraft des EFSF über eine Hebelwirkung ("leverage") zu vergrößern. Dies hatten die USA, einige Euro-Länder sowie EU-Währungskommissar Olli Rehn ins Spiel gebracht. Vereinfacht gesagt geht es darum, wie aus einem Euro des EFSF fünf gemacht werden können, ohne den Fonds selbst mit weiterem Kapital aufstocken zu müssen. Schäuble selbst hatte kürzlich gesagt, der EFSF solle natürlich möglichst effizient genutzt werden.
Kritik von US-Präsident Barack Obama am Krisenmanagement der Euro-Länder wies Schäuble zurück. "Ich denke nicht, dass die Probleme Europas die einzigen Probleme der Amerikaner sind", sagte er. "Es ist immer leichter, anderen Ratschlägen zu geben."
Nach den Worten Merkels ist die Zustimmung des Bundestages zur EFSF-Reform von "aller, allergrößter Bedeutung". Die Kanzlerin sieht Griechenland auf gutem Weg und sagte weitere Solidarität zu. "Wir werden alle erwünschte Hilfe von deutscher Seite leisten, dass Griechenland wieder Vertrauen gewinnt." Forderungen nach weiteren Konjunkturprogrammen gegen die Schuldenkrise und den Abschwung erteilte sie eine Absage. "Die Idee, dass Wachstum immer nur durch mehr Schulden stattfinden kann, ist eine falsche Idee."
Der Athener Regierungschef zeigte sich zuversichtlich, die Schuldenkrise zu bewältigen. "Yes, we can" ("Ja, wir können es"), sagte Papandreou und zitierte damit den berühmten Wahlkampfspruch von Obama. Er übte zugleich Selbstkritik. "Wir sind kein armes Land, wir waren ein schlecht geführtes Land." Man sei mitten auf einem "schmerzhaften Weg" und habe "brutal offen" eigene Schwächen offengelegt.
Die deutsche Industrie warnte vor unkalkulierbaren Folgen, falls der Euro-Rettungsschirm scheitern sollte. Noch sei die Wirtschaft in guter Verfassung. Ein Wachstum von drei Prozent in 2011 sei möglich. "Aber es hängen dunkle Gewitterwolken von den Finanzmärkten am Himmel", sagte Industriepräsident Hans-Peter Keitel.
Um die Wirtschaftskraft Griechenlands und anderer südlicher Länder in Europa zu stärken, schlug Keitel einen Energie-Pakt vor. So könnte Solarenergie aus Griechenland in die westeuropäischen Industriegebiete kommen. Die deutsche Industrie sei grundsätzlich zu mehr Investitionen bereit. Das Investitionsklima sei aber ungünstig.