Koalition ante portas: Knackpunkte, Kniffe und Kröten beim schwarz-gelben Flirt

Der Tübinger Parteienforscher Professor Josef Schmid (52) analysiert im AZ-Interview die Fallstricke, aber auch die Chancen, die am Verhandlungstisch auf Christsoziale und Liberale zukommen dürften.
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Noch sondieren sie, bald wollen sie richtig verhandeln: FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Noch-CSU-Boss Erwin Huber.
dpa Noch sondieren sie, bald wollen sie richtig verhandeln: FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Noch-CSU-Boss Erwin Huber.

Der Tübinger Parteienforscher Professor Josef Schmid (52) analysiert im AZ-Interview die Fallstricke, aber auch die Chancen, die am Verhandlungstisch auf Christsoziale und Liberale zukommen dürften.

Am Donnerstag führen sie noch einmal Sondierungsgespräche, doch die Zeit eilt: So schnell wie möglich wollen CSU und die FDP offzielle Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer schwarz-gelben Partnerschaft im bayerischen Landtag aufnehmen.

AZ: Herr Professor Schmid, die FDP in Bayern war 14 Jahre außerparlamentarische Opposition, die CSU absolutistische Staatspartei. Höchst ungleiche Voraussetzungen für Koalitionsverhandlungen...

JOSEF SCHMID: Ganz so dramatisch ist es nicht. Sowohl der neue CSU-Häuptling Seehofer als auch Ex-Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberger bringen Koalitionserfahrung aus Berlin mit. Entscheidend wird sein: Wie teuer wird sich die FDP verkaufen? Erfahrungsgemäß sind kleine Koalitionspartner unverhältnismäßig teuer. Insbesondere in der schwierigen Lage, in der sich die CSU derzeit befindet. Ich bin überzeugt: Die neue CSU-Spitze kann sich schon mal auf eine Runde Freibier einstellen.

Wohl nicht nur auf eine...

Die CSU wird Kröten schlucken müssen, keine Frage. Wenn sie sich nicht von vornherein kooperativ verhält, ist das Klima gleich so versaut, dass die Verhandlungen zäh werden. Das einzige, was jetzt hilft, ist die Konzentration auf wenige Prioritäten und eine zügige Koalitionsbildung.

"Der Söder steht doch schon grinsend am Eck"

Eine beliebte Politikerfloskel lautet: Wir diskutieren erst über die Sachthemen, dann über das Personal. Wie läuft das in Wirklichkeit ab?

Personalien schwingen immer mit. Das sehen Sie an Seehofer: Der kam ja an seinen Ministerposten in Berlin wie die Jungfrau zum Kind. Er war weder Agrar- noch Verbraucherexperte, aber so wichtig, dass er unbedingt Minister werden musste. Bei der CSU kommt hinzu, dass sie weniger Ministerien bekommen, aber trotzdem den Regionalproporz halten muss. Melden wird sich auch die Ex-Stoiber-Truppe. Der Söder steht doch schon grinsend am Eck und sagt: „Ich will was Gescheites!“

Was sind die Knackpunkte?

Die FDP wird darauf achten, ein paar liberale Duftmarken zu setzen. Gerade bei der inneren Sicherheit wird die FDP der CSU auf den Wecker gehen. Viele Klippen kann man aber durch Ausklammerungen umschiffen. Und die Landespolitik hält weniger Kontroversen bereit als der Bund.

"Drei Ministerien kostet die CSU der Spaß"

Mit wie vielen Ressorts für die Liberalen rechnen Sie?

Die FDP dürfte neben der Justiz auf das Wirtschaftsressort pochen, ein starkes Pfründe-Ministerium. Dann werden die Liberalen schauen, dass sie Bildung, Wissenschaft oder Umwelt bekommen. Ich sage mal ganz locker: Drei Ministerien kostet die CSU der Spaß.

Zur Verhandlungstaktik: Soll man erst Kleinkram abräumen – oder sich gleich an die großen Brocken wagen?

Wenn das Klima zu Beginn gut ist, kann man gleich die großen Brocken wegräumen, dann wird offensiv gestürmt. Wenn es zu Beginn nicht gut läuft, muss man notgedrungen über Härte zum Spiel finden, wie man im Fußball sagt. Da die Zeit in Bayern eilt, stehen CSU und FDP enorm unter Druck. Wichtig ist da, dass die Eckdaten zügig von einer möglichst kleinen Runde Großkopfeter festgeklopft werden.

Die CSU stützt sich auf eine monströse Ministerialbürokratie. Läuft die FDP Gefahr, über den Tisch gezogen zu werden?

Das ist ein Problem, vor allem bei den Feinheiten, bei der Ausformulierung des Koalitionsvertrags. Wenn die FDP clever ist, wird sie auf ein nicht besonders detailliertes Papier drängen. Um vor allem auf Politikfeldern, die FDP-Ministerien tangieren, Freiraum zu organisieren.

Interview Markus Jox

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